Alle hassen Jude

Jude Bellingham – https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/deed.en Foto: Barcex

Lesezeit: 7 Minuten

Jude Bellingham verkommt bei dieser EM mehr und mehr zu einer Reizfigur des europäischen Fußballs. Was die Gründe dafür sind und wie sich diese ganze Szenerie in ein verworrenes Narrativ von Ursache und Wirkung einreiht, erfahrt ihr im heutigen Kommentar.

Woher kommt die Kritik?

Auch nach dem zugegebenermaßen äußerst schmeichelhaften Einzug der Three Lions gegen die Schweiz prasselte wieder einiges an Kritik auf die Three Lions ein. Der Fußball des Vize-Europmeisters wirkt destruktiv, statisch und einfallslos. Ein Umstand der bei vorhandener Kaderstärke in einer überaus kritischen wie schnelllebigen Gesellschaft schnell nach einem Schuldigen verlangt.

Neben Trainer Gareth Southgate ist es seit einigen Wochen zu einem merkwürdigen Trend verkommen, Real Madrids Jude Bellingham für seinen Spielstil als auch seine Persönlichkeit auf dem Platz massiv zu verunglimpfen. Dabei scheint die Hasswelle gegen Englands Nummer 10 einfach nicht abzuebben. Völlig unverständlich ist dabei der plötzliche Anstieg von gezielten Angriffen gegen die Person Jude Bellingham, die seine Art des Fußballs zwar auf auffällige Weise zelebriert, dabei aber stets zu seinem Wesen stand.

„Völlig unverständlich ist dabei der plötzliche Anstieg von gezielten Angriffen gegen die Person Jude Bellingham, die seine Art des Fußballs zwar auf auffällige Weise zelebriert, dabei aber stets zu seinem Wesen stand.“

Vorbild statt Feindbild

Wieso also wird es in einer Gesellschaft, die ohnehin schon von Neid und Missgunst durchtränkt ist, dermaßen darauf angelegt, einen zwar gestandenen Star, aber mit 21 Jahren durchaus noch jungen Mann, auf diese Weise anzugreifen? Aus sportlichem Blickwinkel ist der ehemalige Dortmunder trotz ebenfalls dürftiger Auftritte bei diesem Turnier sicherlich einer der Letzten, der dem Epizentrum der Entrüstung ausgesetzt sein sollte. Denn ohne Bellingham stünde England gar nicht da, wo es jetzt ist.

Einem siegbringenden Treffer zum Auftakt gegen Serbien lies er gegen die Slowakei im Achtelfinale einen ganz späten Ausgleich per Fallrückzieher folgen, der den Three Lions überhaupt erst die Verlängerung ermöglichte, welche folglich im Viertelfinaleinzug mündete. In jungen Jahren ist Real Madrids Nummer 5 bereits ein Anführer, der ebenfalls nicht davor zurückschreckt, die Aufmerksamkeit der Massen auf sich zu ziehen.

„In jungen Jahren ist Real Madrids Nummer 5 bereits ein Anführer, der ebenfalls nicht davor zurückschreckt, die Aufmerksamkeit der Massen auf sich zu ziehen.“

Big Game Player

Auch auf Vereinsebene werden immer wieder oberflächliche Zweifel an Bellinghams Mentalität als Big Game Player laut. Dass der Mittelfeldstar in wichtigen Spielen abtaucht und zu unrecht als Golden Boy und kommender Balon d´Or Gewinner gilt, ist ein Standpunkt, der in seiner Gesamtbetrachtung leider völlig an der Realität vorbeigeht.

Neben dem Fakt, dass der 21-Jährige von nahezu allen großen Spielern mit denen er trainierte, als überragender Fußballspieler geadelt wurde, vermochte er es in seiner Debütsaison mit Real Madrid besonders in den wichtigen Spielen zu glänzen.

Beide Clasicos der Spielzeit 23/24 entschied der junge Engländer beispielsweise tief in der Nachspielzeit, auch im Champions League Finale gegen Ex-Club Borussia Dortmund lieferte er die Vorlage zum entschiedenen 2:0 durch Vinícius Junior. Laufen seine Kritiker mit diesem als Mythos entarnten Argument ins Leere, gehen jegliche Attacken schnell in persönliche Angriffe über.

„Dass der Mittelfeldstar in wichtigen Spielen abtaucht und zu unrecht als Golden Boy und kommender Balon d´Or Gewinner gilt, ist ein Standpunkt, der in seiner Gesamtbetrachtung leider völlig an der Realität vorbeigeht.“

Charakter entgegen der Norm

Neben seinen sportlichen Leistungen, die bei der kleinsten Schwächeperiode von allen Seiten kritisiert werden, liegt das Hauptaugenmerk der Entrüstung auf Bellingham zwischenmenschlicher Erscheinung. Immer wieder wird er von selbsternannten Experten als PR-Spieler verunglimpft, der durch die Medien einen gezielten, aber unverdienten Hype erfährt. Diese vorgefertigte Rolle des Selbstdarstellers wird bei kleinsten Verfehlungen wie seinem obszönen Jubel gegen die Slowakei aufgegriffen und gegen ihn verwendet.

Fakt ist, dass derartige Jubel sich auf einem Fußballplatz nicht gehören, aber Bellingham ebenso wenig zu einem Opferlamm diverser Moralisten und sselbsternannten Hüter der fußballerischen Werte machen. Genauso schrecken diese dann nicht davor zurück, Bellingham in einer Traube von Feierlichkeiten als Narzissten zu betiteln, der die Nähe zu den Fans sucht. Eine Persönlichkeit, die sich nicht einem gesellschaftlich geachteten Stereotypen zuordnen lässt, macht sich ohnehin seit jeher angreifbar.

„Eine Persönlichkeit, die sich nicht einem gesellschaftlich geachteten Stereotypen zuordnen lässt, macht sich ohnehin seit jeher angreifbar.“

Einer gegen Alle

Bellingham ist im Kosmos des Fußballs ein extrovertierter, aber gleichzeitig extrem nahbarer Charakter, der für viele von Missgunst und Neid zerfressenen Individuen nicht in ein vorgefertigtes Bild zu pressen ist. Und genau deswegen, weil er für diese nicht zu greifen ist, verkommt es bei Erfolg wie Misserfolg zum Trend, diesen Spieler zu verunglimpfen.

Nachvollziehbar ist das keinesfalls, würde sich die Kritik wenigstens auf logische Punkte richten, könnten Einzelne noch sinnvoll argumentieren. Bellingham allerdings wird sich von seinem äußeren Errscheinungsbild nicht abbringen lassen, seine Ziele weiter mit der selben Leidenschaft verfolgen und in Zukunft noch öfter beweisen, warum die Erfolgreichen immer die sind, die es am schwersten haben.

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