Die beste Mannschaft der Geschichte

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„Die beste Mannschaft der Geschichte“, eine starke Hyperbel, die im so schnelllebigen Fußballkosmos leider mittlerweile viel zu häufig verwendet wird. Mit Superlativen wird nicht gegeizt, immer auf der Suche nach der nächsten Sensation stürzt sich die Medienlandschaft auf jeden Erfolg und jeden noch so kleinen Lauf, um Teams zu glorifizieren und sie möglichst gleich in den Adelsstand zu erheben. Ich möchte euch heute entgegen aller Sensationsmeldungen der Klatschpresse in einer neuen Ausgabe unseres Formats „4Ballers Retro“ eine Mannschaft vorstellen, die den Titel „Beste Mannschaft der Geschichte“ in meinen Augen ohne Zweifel verdient hat. Die Rede ist dabei vom so gnadenlos erfolgreichen Real Madrid der Jahre 2016-2018, die ich als Fan dieser Überirdischen live miterleben durfte und Zeuge davon wurde, wie dieses Team eine Ära prägte und drei Mal in Folge die Champions League gewinnen konnte!

Ein Verein am Boden

Wir schreiben den 04.01.2016: Real Madrid hat sich nach einem halben Jahr der fußballerischen Tristesse für so ziemlichen jeden Madridista erlösenderweise von Trainer Rafael Benítez getrennt und Vereinslegende Zinédine Zidane als neuen Trainer installiert. Der Jubel in der nostalgisch angehauchten Fangemeinde ist groß, so auch bei mir! Zunächst interimsweise bis Saisonende engagiert, soll die französische Ikone das schaffen, was seinem verhassten Vorgänger zu keiner Zeit gelang: Erfolgreich sein, dem Team endlich wieder eine Identität verleihen und gleichzeitig auch noch einen attraktiven Spielstil implementieren. Eine durchaus herausfordernde Aufgabe für „Zizou“, der den Verein zwar aus dem Effeff kennt, allerdings noch nie als Cheftrainer auf diesem Niveau an der Seitenlinie stand. Die Skepsis in der Medienlandschaft ist entgegen aller Euphorie innerhalb des Vereins schnell groß und zunächst scheint es so, als sollten sie Recht behalten. Unter anderem eine bittere Niederlage in Zidanes erstem Derbi madrileño gegen Atlético Madrid führt dazu, dass Konkurrent Barca in der Tabelle schnell enteilt und die Königlichen so frühzeitig einer ersten Titelchance beraubt. Die Ernüchterung im so herausfordernden Umfeld der Königlichen ist schnell zurück. In der Copa del Rey bereits im Dezember nach einem peinlichen Wechselfehler disqualifiziert, gilt bei uns allen schnell alle Konzentration dem Lieblingswettbewerb Champions League. Die AS Rom wird im Achtelfinale souverän ausgeschaltet (2:0; 2:0), bevor man im Viertelfinale gegen den VfL Wolfsburg antreten muss. Für die Blancos aufgrund der weitgehenden internationalen Unbekanntheit des Gegners eigentlich ein Selbstläufer, sollte man meinen. Doch es kommt alles anders: Madrid liefert eine seiner schwächsten Saisondarbietungen und verliert hochverdient mit 0:2. Die Enttäuschung ist immens. Im Rückspiel braucht man nun ein Wunder, Zidane ist nach nur wenigen Wochen im Amt bereits angezählt: Er muss jetzt liefern!

Das Imperium schlägt zurück

Und genau das tun er und seine Mannschaft Gott sei Dank dann auch. Unter viel öffentlichem Getose, heraufbeschworenen magischen Nächten eines CR7 und einem am Rande der Legalität vergrößerten Spielfeld fiebern die fanatischen Real-Fans nägelkauend im Stadion, oder vor dem Fernseher mit. Nur 90 Minuten später gelingt den Blancos etwas, dass nach diesem Hinspiel kaum mehr einer für möglich gehalten hätte: Madrid steht durch einen Hattrick meines Kindheitshelden Cristiano Ronaldo, der später in diesem Jahr auch noch Europameister werden sollte, im Halbfinale der UEFA Champions League. Ein eingeschüchtertes Wolfsburg, dass mit der Kulisse zu keinem Zeitpunkt zurecht kam, kann dem Druck der Hausherren keine 20 Minuten standhalten und geht im Haifischbecken Bernabeú gnadenlos unter. Es ist der erste Meilenstein in der Ära Zidanes und zugleich der Grundstein für zwei Jahre des grenzenlosen Erfolgs. Im Halbfinale schaltet man Manchester City durch ein Tor von Gareth Bale minimalistisch aus (0:0; 1:0) und zieht ins Endspiel von Mailand ein, indem es nach 2014 erneut gegen Atlético Madrid geht. Das dabei „La Undécima“, der 11. Titel der Vereinsgeschichte herausspringt, ist mindestens genauso legendär wie der ekstatische Alvaro Árbeloa, der mich so manche Freudenträne vergießen lässt. Zidane hat es geschafft, innerhalb kürzester Zeit ein funktionierendes Team zu bilden, indem er überragende Personalentscheidungen trifft, wie beispielsweise einen defensiven Abräumer zu installieren, der von nun an auf den Namen Casemiro hört. Einer der zentralen Bausteine des galaktischen Erfolgs, der sich die kommenden Jahre an der Seite seiner Teamkollegen Kroos und Modrić zur absoluten Vereinslegende aufschwingen sollte. Die Zukunft Madrids scheint für uns alle schon jetzt rosig.

2017 – Ein Jahr der Superlative

Was folgt, ist eine der titelreichsten Ären dieses ohnehin schon so hochdekorierten Clubs aus der spanischen Hauptstadt. Zunächst sollten 2016 noch zwei weitere Trophäen folgen. Eine im UEFA Supercup, den man auf dramatische Art und Weise mit 3:2 in der Verlängerung durch ein Tor von Dani Carvajal gegen den FC Sevilla gewinnt. Manche erinnern sich vielleicht eher an den Auftritt eines blutjungen Marco Asensio, der in diesem Spiel mit einem Traumtor glänzt und zu dieser Zeit als der nächste Stern am spanischen Fußball-Firmament gilt. Einen weiteren Titel erringt man im Dezember bei der FIFA Klub-WM gegen die Kashima Antlers (4:2) durch einen abermaligen CR7-Hattrick. Begleitet von all den Feierlichkeiten schafft es Real Madrid in dieser Rekord-Saison eine für uns alle unfassbare Bestmarke für die Ewigkeit aufzustellen: 40 (!) Spiele lang bleibt man in Folge ungeschlagen und egalisiert so den spanischen Rekord des großen FC Barcelona. Das diese Bestmarke erneut nach einer Aufholjagd gegen den FC Sevilla zu Stande kommt, ist dann wohl nicht weniger als Schicksal. Im Jahr 2017 erreichen die modernen „Galácticos“ dann den Höhepunkt ihrer Ära. Neben einer souverän eingefahrenen Meisterschaft mit unglaublichen 93 Punkten, wird man in der UEFA Champions League zum ersten Verein der Geschichte, der seinen Titel verteidigen und erneut Europas Krone erringen kann. Nachdem man in der K.o.-Phase die SSC Neapel, den FC Bayern und Atlético Madrid eliminiert, demütigt man in einem denkwürdigen Finale Juventus Turin mit 4:1 und versetzt ganz Europa in Schockstarre. Die ganze Welt fürchtet nun die Dauertriumphatoren aus Madrid und ich feiere mit einem Cerveza in der Hand meine Helden. Auch dem Letzten Culer ist nun klar: Wir haben es hier mit einer furchteinflößende Bestie auf ihrem absoluten Zenit zu tun.

Götterdämmerung

Auch in der Saison 2017/18, die ohne es zu wissen, die Letzte dieser Jahrhundertmannschaft sein sollte, beginnt verheißungsvoll für alle, die es mit Real Madrid und der Liebe zum schönen Spiel halten. Im spanischen Supercup fegt man einen fast schon bemitleidenswerten FC Barcelona mit 3:1 und 2:0 vom Platz und stellt erneut seine absolute Vormachtstellung und Dauerdominanz in Spanien in aller Öffentlichkeit zur Schau. Marco Asensio brilliert erneut mit dem „schönsten Gegentor„, dass Marc-André ter Stegen je kassierte und ganz Madrid hängt eine Party an die nächste. Es sind einfach unsere Jahre! Und doch kommt jeder Erfolg und jede noch so dominante Ära irgendwann mal zu einem Ende. Madrid startet stark in die Saison, kann aber mit einem in zweiter Reihe komplett runderneuerten Kader vor allem in „unwichtigen“ Spielen nach den Abgängen von Morata, James oder Pepe die Leistung der Vorjahre nicht ansatzweise halten und sieht sich gegenüber dem FC Barcelona, gegen den man zum Ende des Jahres eine bittere 0:3 Pleite im heimischen Stadion kassiert, schnell im Hintertreffen. Auch in der UEFA Champions League tut man sich schwer, wird von Tottenham beim Gastspiel in London (1:3) zeitweise vorgeführt und wirkt nur ein halbes Jahr nach dem Höhepunkt der Ära Zidane satt und ausgebrannt. Es bahnt sich eine Götterdämmerung an. Die Meisterschaft geht an Barça, im Pokal scheidet man blamabel im Viertelfinale gegen Underdog Leganés aus. Zidane wirkt erstmals Amtsmüde, äußert sich auf Pressekonferenzen immer wieder kryptisch zu seiner Zukunft. In Madrid geht etwas vor sich, was den so erfolgsverwöhnten Fans der Blancos so gar nicht gefällt und auch bei mir fängt so langsam das Zittern an: Ist diese Ära nun wirklich am Ende?

Ende einer Ära auf der größtmöglichen Bühne

Auch wenn es in den folgenden Wochen und Monaten immer wieder rumort, Madrid fängt sich. Die UEFA Champions League wird auch in dieser Spielzeit analog zur ersten Saison Zidanes aufgrund der Erfolglosigkeit in allen anderen Wettbewerben abermals zur Chefsache erklärt. Madrid nimmt sich erst Scheichklub Paris vor (3:1;2:1), um dann Vorjahresfinalist Juve (3:0;1:3) und erneut den FC Bayern (1:2;2:2) auszuschalten. Real steht erneut im Finale der Champions League und schlägt durch ein geschichtsträchtiges 3:1 samt weltberühmter Patzer von Ex-Mainzer Loris Karius durch zwei Tore von Karim Benzema den FC Liverpool, um sich zum dritten Mal in Folge Europas Krone aufzusetzen. Die Stimmung ist ausgelassen und doch gleichzeitig von Trauer erfüllt. Wenige Tage später wird der Rücktritt von Erfolgstrainer Zidane bekannt, der sich bereits über Monate angebahnt hatte. Möchte man das Ende dieser Jahrhundertmannschaft in Worte fassen, lasst uns mit einem Zitat des Franzosen verbleiben, der seinen Hut auch deshalb nimmt, weil er nicht mehr klar „sehen konnte“, dass „wir weiter gewinnen“ können. Die Trauer ist groß und während ich im Garten sitze, überkommen mich erneut die Tränen, die dann noch hemmungsloser laufen, als ein paar Wochen später auch der Abgang meines absoluten Kindheitsidols CR7 bekannt wird. Dieses Mal sind es zwar keine Tränen der Freude, aber unter meine Trauer mischt sich schnell auch Dankbarkeit und die Gewissheit, das hier ein Zyklus zu Ende geht, der einfach einzigartig war. Zum Schluss und ganze fünf Jahre nach diesen Ereignissen bleibt mir in tiefer Zuneigung nur noch eins zu sagen: Danke Jungs, ihr wart einfach die Größten!

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