Tuchel und Bayern – Ein Missmatch mit Ansage

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Seit gut fünf Monaten ist Thomas Tuchel nun bereits Trainer des FC Bayern München. Gemütszustände hat er seitdem mindestens genauso viele durchlebt wie Niederlagen: Erst euphorisch, dann schockverliebt, dann alarmiert und zu guter letzt einfach nur noch fassungslos. Sein Wirken beim deutschen Rekordmeister gleicht seit seinem Amtsantritt einer wilden Achterbahnfahrt, die Fragen aufwirft: Wieso findet Tuchel keinen Zugang zu seiner Mannschaft, warum trifft er immer wieder derart merkwürdige Personalentscheidungen und was fehlt dem 49-Jährigen im täglichen Umgang mit seinen Schützlingen im Vergleich zu seinen bisherigen Stationen? Wir wollen uns dieses Mysterium heute einmal genauer ansehen und gleichzeitig auf mögliche Zukunftsszenarien vorausblicken.

Seit Amtsantritt unglücklich

Seit dem Amtsantritt Thomas Tuchels in München am 25.03.23 ist viel passiert. Beginnend damit, dass die damals verantwortlichen Entscheidungsträger, die den exzentrischen Schwaben einst zum FC Bayern holten, im Zuge des Umbruchs auf Führungsebene längst nicht mehr in Amt und Würden sind. CEO Oliver Kahn sowie Sportvorstand Hasan Salihamidžić wurden durch Jan-Christian Dreesen und Christoph Freund (Amtsantritt 01.09.) ersetzt. Sie zeichnen bereits ein erstes Bild davon, wie unglücklich schon allein die Umstände von Tuchels Wirken und seinem Staff bisher in München verliefen. Bereits im Anschluss an die mehr als schmeichelhaft errungene Meisterschaft in Köln ließ der Coach aufgrund der drohenden Lawine, die damals auf sich und sein Team zukam, in einem Interview tief blicken. Erstmals stand ein schneller Abgang des Champions League Siegers von 2021 im Raum. Auch wenn er für die Arbeit seines Vorgängers und die vorgefundenen Umstände mitten in einer Saison sowie das Führungsbeben im Verein nicht unmittelbar verantwortlich war, musste sich Tuchel bereits zu diesem Zeitpunkt definitiv einige Defizite ankreiden lassen.

Tuchels Wirken gleicht einem Mysterium

Verantwortlich ist der 49-Jährige vor allem für die Entwicklung seiner Mannschaft. Eine Mannschaft, die er von Vorgänger Julian Nagelsmann übernahm und laut Vorgaben der Vereinsoberen dringend stabilisieren sollte. Schaut man sich die Bilanz des aktuellen Chefcoaches an, verheißt auch diese nichts Gutes: Von 12 Pflichtspielen seit Amtsantritt gewann der Verein nur deren fünf, spielte zwei Mal Remis und ging ganze fünf Mal als Verlierer vom Platz. Dass ein Bayern-Trainer genauso viele Siege vorzuweisen hat wie Niederlagen, passt in ein bis dato absolut desaströses Gesamtbild. Seine Mannschaft scheint seit dem Abschied von Nagelsmann sukzessive an Leistungsniveau abzubauen, macht spielerische Rückschritte und auch ihr Übungsleiter weiß offenkundig nicht mehr weiter. Immer mehr kritische Stimmen, die sich gegen die Entscheidungen sowie die öffentlichen Auftritte des Ex-Mainzers auflehnen, wurden laut. Und das aus gutem Grund, denn Tuchel machte sich nicht zuletzt beim Supercup gegen RB Leipzig (0:3) einiger Verfehlungen schuldig, die so gar nicht zum Bild des charismatischen Erfolgstrainers zu passen scheinen.

Fragwürdige Personalentscheidungen – Uneinigkeit bei Transferpolitik

Angefangen damit, dass er in seiner kompletten Amtszeit und nicht zuletzt im ersten Pflichtspiel der neuen Saison gegen Leipzig für seine Verhältnisse äußerst untypische Personalentscheidungen traf. Warum spielte Upamecano anstatt des neu verpflichteten Südkoreaners Kim, der extra dafür eingekauft wurde, die Abwehr des Rekordmeisters merklich zu stabilisieren. Der 24-Jährige Franzose vermochte diese Stabilität besonders in den wichtigen Spielen gegen Manchester City nur äußerst selten zu gewährleisten. Schaut man sich dieses Beispiel an oder blickt beispielsweise auf die extrem impulsiv unpopuläre Ausbootung Leon Goretzkas, stellt sich die Frage, warum ein so anerkannter Fachmann wie Tuchel derart dilettantische Entscheidungen gepaart mit einer desaströsen Außendarstellung (Stichwort Kimmich) in einer Häufigkeit wiederholt, die für einen Trainer seiner Klasse nahezu haarsträubend erscheinen. Ist der 49-Jährige gar überfordert mit seinem Arbeitsumfeld oder hat die ganze Thematik etwas mit der Transferpolitik zu tun, die seitens seiner Person vor allem intern immer wieder bemängelt wird?

Keine langfristige Strategie erkennbar

Dass der exzentrische Schwabe schon seit geraumer Zeit einen defensiv denkenden Sechser für die nötige Balance im Kader fordert, ist längst kein Geheimnis mehr und doch stellt es einen richtungsweisenden Fingerzeig dafür da, wie untypisch Tuchels Wirken beim FC Bayern bis dato daherkommt. So zeichnete er sich bei seinen bisherigen Stationen wie Paris St. Germain oder dem FC Chelsea vor allem zu Beginn seiner Amtszeit immer wieder dadurch aus, einen am Boden liegenden Haufen, mit den Mitteln, die ihm zur Verfügung standen, zu einer verschworenen Einheit zu formen und kreative Lösungen mit seinem ganz persönlichen Spielansatz zu finden. Tuchel galt stets als innovativ und anpassungsfähig, doch wo sind diese zweifelsohne vorhandenen Fähigkeiten hin? Sein Status als Motivator und Spielerfreund bröckelt genauso wie die Überzeugung von seiner langfristigen Vision für den FC Bayern München. Lassen er und sein Trainerteam, dass in der täglichen Arbeit mit der Mannschaft ebenso in die Verantwortung zu ziehen ist, sich nicht schleunigst etwas einfallen, dürften auch die ambitionierten Bosse im Verein bei allem Anspruchsdenken des Clubs nicht lange mit drastischen Konsequenzen zögern.

Logische Konsequenz Rauswurf?

Ändert sich an allen Fronten nicht schleunigst etwas und Tuchel beginnt, seine in der Branche bestens bekannten psychologischen sowie taktischen Fähigkeiten im Mannschaftskreis authentisch einzubringen, bröckelt nicht nur sein Rückhalt bei seinen Schützlingen, sondern lässt auch zwangsläufig für die Verantwortlichen keinen anderen Schluss zu, als einen Trainer zu installieren, der die Saisonziele des FC Bayern erfolgversprechend ansteuern kann, ohne in einem Negativsog gleich den Kopf zu verlieren. Will Tuchel seine Reputation nicht zerstören, wird er eine Menge Zugeständnisse machen und sein Ego sowie derlei fragwürdige personelle Maßnahmen bei Seite lassen müssen, um seinem Team endlich die nötige Siegermentalität einzuimpfen. Tut er das nicht, wonach es nach aktueller Sachlage auszusehen scheint, wird er seinen Job zu Saisonbeginn sogar noch schneller los sein, als vor gut einem Jahr beim FC Chelsea.

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