Ein türkischer Wahnsinn

Türkei Fans – https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/ Foto: Arne List

Lesezeit: 5 Minuten

Die Türkei steht also tatsächlich das erste Mal seit 2008 im Viertelfinale einer Fußball Europameisterschaft. Zu verdanken haben sie es wieder einmal ihrer unbändigen Leidenschaft, einer gewaltigen Fanunterstützung sowie dem nötigen Spielglück, das sie auf der Euphoriewelle bis nach Berlin trägt – Oder sogar noch weiter?

Kampf, Leidenschaft, Emotionen

Nach einer Gruppenphase, die das zarte Pflänzchen der Euphorie in der Türkei trotz wechselhafter Auftritte schnell zur unzähmbaren Ranke werden lies, war nun also Österreich der Gegner. Die Elf von Ralf Rangnick hatte sich selbst längst zum nicht mehr so geheimen Geheimfavorit gemausert und stellte für die passionierten Mannen vom Bosporus die erste große Hürde da. Nach 90 Minuten purem Kampf und einer Energieleistung sondergleichen schafften Trainer Vincenzo Montella und Co. tatsächlich den Sprung ins Viertelfinale.

Damit das gelingen konnte, musste viel zusammenkommen. Doch die Türkei schaffte es besonders in Halbzeit Eins bei diesem Turnier nicht das erste Mal, einen mitreißenden Offensivfußball zu zelebrieren. Nach dem wohlmöglich besten Spiel dieser EM gegen Georgien (3:1) gelang es den „Ay-Yildizlilar“ gegen Tschechien als auch nun gegen die favorisierten Österreicher wieder, im begeisternden Angriffsspiel zu ihren Grundtugenden zurückzukehren.

„Die Türkei schaffte es besonders in Halbzeit Eins bei diesem Turnier nicht das erste Mal, einen mitreißenden Offensivfußball zu zelebrieren.“

Kollektiv ersetzt den Star

Entscheidend auf dem Weg ins Viertelfinale nach Berlin sind für die heißblütigen Südländer bis dato zentrale Eckpfeiler wie Merih Demiral, Arda Güler oder Barış Alper Yılmaz. Während ersterer gegen Rangnick und Co. mit seinem Doppelpack den Weg ebnete, brillierten Real Madrids Wunderkind Güler und Yılmaz als Möglichmacher sowie nimmermüde Laufwunder. Dass die türkische Mannschaft sich Minuten vor dem Abpfiff aufgrund des höchstintensiven Spielstils quasi dauerhaft mit Krämpfen herumplagte, war dabei nicht verwunderlich.

Bezeichnend für diesen harten Kampf war auch die Kompensation der Sperre von Star und Anführer Hakan Çalhanoğlu, dessen Abstinenz besonders bei Standards hervorragend kaschiert werden konnte, fielen doch beide Tore nach Eckbällen von Vertreter Güler. Dass sich das Fehlen des etatmäßigen Anführers besonders in diesen Situationen nicht bemerkbar machte, war eine weitere Auszeichnung für ein in sich geschlossen Kollektiv.

„Dass sich das Fehlen des etatmäßigen Anführers nicht bemerkbar machte, war eine weitere Auszeichnung für ein in sich geschlossen Kollektiv.“

Heimspiel-EM

Dieses Kollektiv bewegt sich nun mit großen Schritten auf das nächste Turnierhighlight zu: Dem Viertelfinale gegen die Niederlande in Berlin. Deutschlands Hauptstadt stellt für alle, die es mit den Türken halten, natürlich die nächste große Etappe auf dem Weg zum großen Wurf dar. Denn auch so funktionieren sie, die Menschen des Landes: Ist die Euphorie einmal im Gange, wollen sie mehr. Sie streben stets nach dem Unmöglichen.

Für die Anhänger vom Bosporus stellt das bevorstehende Duell ein gefühltes Heimspiel da, dass sie sicher nicht ungenutzt lassen werden. Dass sich mit diesem gewichtigem Element von den Tribünen ein gewisser Einfluss auf das Spielgeschehen nehmen lässt, ist unbestreitbar. Noch realistischer wird die Mission Halbfinale, wenn wir auf den Gegner blicken: Die Niederlande konnte bei diesem Turnier bisher nur bedingt überzeugen und wird gegen die hochmotivierte Montella-Elf viel investieren müssen.

„Deutschlands Hauptstadt stellt für alle, die es mit den Türken halten, natürlich die nächste große Etappe beim Streben nach dem großen Wurf dar.“

Auf und davon

Wie weit es die Türkei tatsächlich bringen kann und ob sogar das erste Mal seit 2008 der Sprung in ein europäisches Halbfinale gelingen kann, steht dabei auf einem anderen Blatt Papier. Die Voraussetzungen sind jedenfalls geschaffen. Çalhanoğlu und seine Mitstreiter sind sich ihrer Verantwortung definitiv bewusst. Bereit dafür, ein weiteres Mal alles auf dem Platz zu lassen – Auch wegen ihrer Vorbildfunktion.

Denn die Ansprüche in der Heimat waren, sind und werden immer riesig sein, das liegt in der Natur dieser Menschen. Wenn ein Team wie dieses die nötigen Tugenden zeigt, um die ohnehin leicht entflammbare Leidenschaft dieser Menschen zu entfachen, scheint Vieles möglich. Vielleicht ja sogar die endgültige Zementierung des eigenen Heldenstatus und ein sportliches Denkmal, das für immer bleibt.

Hier klicken, um den Inhalt von TikTok anzuzeigen.
Erfahre mehr in der Datenschutzerklärung von TikTok.

Für Dich

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert