Fluch und Segen des schnellen Erfolgs

Stuttgarts Fans – https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/ Foto: RudolfSimon

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Die Auferstehung des VfB Stuttgart wie die des berechtigen Phoenix aus der Asche, vom Fast-Absteiger zum Champions-League-Teilnehmer, sie ist eine beispiellose Erfolgsgeschichte. Dass der Erfolg bei aller Glückseligkeit aber auch Schattenseiten mit sich bringt, müssen sie im Schwabenland nun mehr und mehr als schmerzhafte Realität begreifen.

Historische Errungenschaften

Es könnte alles so schön sein am Neckar: Nach einer wahrhaften Fabelsaison beendete der VfB, im Vorjahr noch Relegationsteilnehmer, die die Bundesligasaison 23/24 auf einem fast märchenhaft anmutenden zweiten Platz. Der unglaubliche Erfolg dieses Kollektivs fußte auf einem starken Zusammenhalt, der mehrere Gegebenheiten voraussetzte.

Da war zum einen ein Trainer, auf den im Schwabenland nach seiner doch recht trostlosen Zeit beim belächelten Nachbarn aus Sinsheim, wohl nur die wenigsten einen Pfifferling gesetzt hätten. Doch das eben jener Sebastian Hoeneß dann auch noch ein Team hinter sich vereinte, das nach dem Abgang diverser Leistungsträger wie den von Konstantinos Mavropanos oder Kapitän Wataru Endō mit Aussortierten und Gescheiterten verstärkt wurde, derart performen würde, ahnten nur die allergrößten Optimisten.

Umbruch 2.0

In Stuttgart hörten die neuen Hoffnungsträger, die den Karren aus dem Dreck ziehen sollten, von nun auf die Namen Serhou Guirrasy, Deniz Undav oder Maxi Mittelstädt. Allesamt waren sie Gescheiterte, die in Stuttgart wieder aufgebaut werden sollten. Während ersterer in der Bundesliga bereits als gescheitert galt, stieg Mittelstädt mit Hertha BSC Berlin aus gleicher ab. Undav befand sich Brighton & Hove Albion längst in einer sportlichen Sackgasse. Diese Möglichkeit im Schwabenland sollte für jene Akteure ihre größte Motivation darstellen.

Der Rest dieses gleichemaßen opportunistischen wie jovialen Ansatzes ist Geschichte. Dass sowohl Guirassy als auch Undav bereits rund ein Jahr später nicht mehr zum Kader des VfB gehören, allerdings auch. Die Schattenseite des schnellen Erfolgs für den VfB ist mit der Aufmerksamkeit der finanzkräftigeren Konkurrenz gleichzeitig Fluch wie Segen.

Nicht nur, weil ein solch ungeahnter Höhenflug im kommenden Jahr die Teilnahme an der reformierten UEFA Champions League garantiert, sondern auch weil namhafte Abgänge zusätzliches Kapital bereitstellen. Gleichzeitig bedeuten genannte Abgänge aber auch eine enorme Schwächung der sportlichen Ressourcen. Der VfB Stuttgart wird sich auch in der kommenden Saison auf seinen Schlüsselpositionen nahezu komplett neu aufstellen müssen.

Dafür, wie das gelingen soll, haben die Verantwortlichen um Fabian Wohlgemuth schon lange den nötigen Plan parat. Die Zusammenarbeit des sportlichen Triumvirats bestehend aus ebenjenem Sportvorstand, Trainer Sebastian Hoeneß sowie des Vorstandsvorsitzenden Alexander Wehrle war im vergangenen Jahr ein zentraler Erfolgsfaktor für den Höhenflug der Schwaben. Nun wird es gleichermaßen darauf ankommen, den gewaltigen Umbruch im Kollektiv zu bewältigen.

„Die Schattenseite des schnellen Erfolgs für den VfB ist mit der Aufmerksamkeit der finanzkräftigeren Konkurrenz gleichzeitig Fluch wie Segen.“

Qualität und Unbekümmertheit

Klar ist: Die Erwartungshaltung im Schwabenland ist im Vergleich zur vergangenen Saison natürlich eine Andere. Konnte man die Abgänge der abgewanderten Leistungsträger seinerzeit noch im Schatten des medialen Echos durch unbekanntere Akteure abfangen, sind in diesem Sommer alle Augen auf die Marktaktivitäten von Wohlgemuth und Co. gerichtet.

Auch deshalb, weil das nötige Geld vorhanden ist – Und die Konkurrenz davon weiß. Mit den angesprochenen Abgängen von Guirassy, Anton und Ito erzielte der Verein insgesamt eine Ablöse von rund 64 Millionen Euro.

Deren Reinvestition als Versicherung in die sportliche Leitungsfähigkeit steht für die Verantwortlichen dabei ganz oben auf der Agenda. Mit Ermedin Demirović, Jeff Chabot oder Yannik Keitel haben sie in Stuttgart die ersten Weichen auf den Schlüsselpositionen bereits gestellt. Dahinter setzten die Schwaben mit den Transfers von jungen, entwicklungsfähigen Spielen wie Nick Woltemade, Justin Diehl oder Frans Krätzig vor allem auf den Faktor Unbekümmertheit.

„Die Reinvestition aus Transfererlösen als Versicherung in die sportliche Leitungsfähigkeit steht für die Verantwortlichen dabei ganz oben auf der Agenda.“

Spiel mit dem Feuer

In wiefern der VfB in der kommenden Saison an die Leistungen der vergangenen Spielzeit wird anknüpfen können, steht auf einem anderen Blatt Papier. In jedem Fall sind die Verantwortlichen weiterhin auf der Suche nach der richtigen Mischung. Der Ansatz, punktuelle Verstärkungen gepaart mit der nötigen Unverbrauchtheit von jungen Spielern vorzunehmen, ist ein gleichermaßen mutiger wie risikoreicher.

Geht der Plan der Verantwortlichen auf, gelten sie als vielumjubelte Visionäre. Scheitert der Plan von Hoeneß, Wohlgemut und Co. aber, droht dem Verein neben dem sportlichen Absturz gleichzeitig der Verlust des eigenen Selbstverständnisses. In Stuttgart wird es darauf ankommen, das Umfeld aufgrund der kommenden Herausforderungen zu sensibilisieren, die Erwartungen nicht zu hoch werden zu lassen.

Denn auch hier gilt der Leitsatz des Vertrauens in den eingeleiteten Prozess. Der VfB ist weiterhin ein Team, das sich weiter in einem Entwicklungstadium befindet und von Verantwortlichen geleitet wird, die in der Vergangenheit ihre Eignung zum Vorantreiben dieses Vorgangs mehrfach bewiesen haben.

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