Warum verlassen so viele Spieler Guardiola?

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Dass in einem Verein immer wieder Spieler kommen und gehen, ist im so schnelllebigen Fußballkosmos längst kein erwähnenswertes Vorkommnis mehr. Gründe dafür gibt es viele: Ein besseres Gehalt, die größere sportliche Perspektive oder einfach ein Hauch von Nostalgie, wenn es beispielsweise um den Wechsel zu einem Herzensverein geht. Auch beim englischen Triplesieger Manchester City gehen trotz enormen finanziellen Ressourcen die Uhren natürlich nicht anders. Dennoch verwundert es nicht erst seit diesem Jahr, dass immer wieder unzählige Spieler das Projekt unter Erfolgstrainer Pep Guardiola verlassen. Doch warum ist das so? Sollte nicht genug intrinsische Motivation vorhanden sein, nach dem Triplegewinn bei einem solch spannenden Projekt weiter mit von der Partie zu sein? Die Gründe für die jährliche Abgangswelle an Leistungsträgern und die Rolle des exzentrischen Chefcoachs sind vielfältig, deshalb versuchen wir uns heute an einer Interpretation dieses Mysteriums und widmen uns den Eigenheiten des so erfolgsbesseren Katalanen.

Abgangswelle oberflächlich schwer zu begreifen

Kurz vorweg: Meine Inspiration zu diesem Artikel lieferte ein Artikel des Portals Fußball.news, den ich thematisch als äußerst lesenswert empfand und im Rahmen dieses Blogartikels näher ausführen möchte. Doch nun zum Thema: Riyad Mahrez (Al-Ahli) und İlkay Gündoğan (Barça) haben den Verein bereits verlassen, João Cancelo (ebenfalls Barça) Bernardo Silva (Paris St. Germain) und Kyle Walker (FC Bayern) könnten noch folgen. Oberflächlich betrachtet steht dem geneigten Fußballfan bei der Betrachtung der sportlichen Perspektive und des Ist-Zustands bei einem sportlich so unglaublich erfolgreichen Verein wie Manchester City da eigentlich nur das blanke Unverständnis ins Gesicht geschrieben. Das ruhmreiche erste Triple der Vereinsgeschichte noch in bester Erinnerung und mit Pep Guardiola den wohlmöglich größten Trainer aller Zeiten an ihrer Seite, sollte die Motivation, dieses Projekt weiterzuverfolgen, doch eigentlich grenzenlos sein, oder? Doch in diesem Verein scheinen die Dinge paradoxerweise einfach anders zu laufen, wie sich bereits in den letzten Jahren immer wieder gezeigt hat. Schauen wir mal auf die Abgänge seit Beginn der Guardiola-Ära 2016 in Manchester, verließen beispielsweise mit Leroy Sané (FC Bayern), Sergio Agüero (Barça), Raheem Sterling (FC Chelsea) oder Gabriel Jesus (FC Arsenal) immer wieder vielversprechende Spieler den Verein, die bis dato unter Pep eine zentrale Rolle im sportlichen Projekt des Clubs gespielt hatten. Ein erkennbarer Trend, der neben oberflächlichen Gründen oftmals ein gewisses Paradoxon zu Tage führte, das von Außen zunächst äußerst schwer nachzuvollziehen ist.

Paradoxon der fehlenden sportliche Perspektive

Genannten Spielern, die den Verein immer wieder verließen, fehlte paradoxerweise etwas, das aufgrund des sportlich so anspruchsvollen Projekts, in das sie stets voll eingebunden waren, wie ein schwer zu begreifendes Mysterium erscheint. Bei Agüero oder Gabriel Jesus handelte es sich dabei um das altbekannte Problem, dass Guardiola in seiner Art, Fußball neu zu denken, stets mit dem Gedanken haderte, einen Spieler als echten Stürmer zu „opfern“. Während Agüero, genauso wie Robert Lewandowski zu seiner Zeit in München, zwar als solcher agierte, allerdings immer wieder für ihn unnatürliche Spielsituationen im Angriffspressing herstellen musste, ereilte Jesus trotz seines hohen Standings im Team das Schicksal, als Aushilfs-Rechtsaußen auflaufen zu müssen. Allmählich lässt sich diese zunächst undurchsichtige Problematik immer mehr verstehen: Die Ideen eines Revolutionärs, wie die des charismatischen Katalanen für seine Spieler, waren dazu fähig, seine Akteure auf ein neues Level zu heben, aber gleichzeitig auch verantwortlich dafür, diese so sensiblen Feingeister ihrem natürlichen Habitat zu berauben. Auch ein Leroy Sané musste sein Spiel, dass von Natur aus deutlich mehr auf individuelle Klasse ausgelegt ist, für seinen Coach massiv umstellen. Raheem Sterling wiederum galt als Lieblingsschüler Guardiolas, der aus unerfindlichen Gründen das Weite suchte. Ähnlich verhält es sich seit nunmehr zwei Jahren bei Bernardo Silva, der bisher aber am Ende doch immer blieb. Nebst diesen Fällen gestaltet sich beispielsweise ein Wechsel von Riyad Mahrez zu Al-Ahli deutlich weniger komplex, da Hiebei ausschließlich monetärer Gründe im Spiel sind.

Charakterliche Schwierigkeiten

Natürlich muss aber in einem Verhältnis zwischen Spieler und Trainer nicht immer alles so verworren und kompliziert sein, wie im Fall der genannten Ex-City Akteure, obwohl es grundsätzlich zum undurchsichtigen Gemüt Guardiolas passt. Bestes Beispiel dafür, dass man sich für eine neue Herausforderung entscheidet, weil man auf persönlicher Ebene einfach nicht immer einer Meinung sein kann, ist der Fall João Cancelo, der sich in Folge einer heftigen Auseinandersetzung mit seinem Trainer im Januar diesen Jahres per Blitztransfer für ein halbes Jahr an den FC Bayern ausleihen ließ. Derartige Szenarien kommen vor und sind im Fußballgeschäft ebenso normal, wie großartige Beziehungen zwischen einem Coach und seinem Schützling. Dennoch ist es nicht das erste Mal, dass dieser Trainer mit einem seiner Spieler aneinandergerät. Zlatan Ibrahimović oder Mario Mandžukić werden dazu sicher eine Menge zu sagen haben und die Darstellungen von „Mr. Cancelo“ (Guardiola soll diesen nach dem Disput der beiden nur noch mit seinem Nachnamen angeredet haben), überzeugend untermalen. Der Katalane galt schon immer als Entwickler und Förderer seiner Spieler, aber eben auch als schwieriger Charakter, der für seine persönlichen Vorstellungen zu keinerlei Kompromissen bereit ist. Auch Bayern Münchens ehemaliger Teamarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt kann ein Lied davon singen.

Faktor Nostalgie

Auf der anderen Seite gibt es natürlich nicht nur jene Fälle, die das typische Schwarz-Weiß-Denken unterstreichen, sondern ebenso Abschiede, die aus Träumen und Wünschen heraus entstehen. Aktuellstes Beispiel dafür ist der Abschied von İlkay Gündoğan zum FC Barcelona, der seinen Wechsel nach Spanien als langgehegten „Kindheitstraum“ bezeichnete. Manchester City ist grundsätzlich ein Verein, bei dem ein Spieler alle Rahmenbedingungen vorfindet, um erfolgreich zu sein, doch Vereine wie die ruhmreichen Katalanen oder der Mythos Real Madrid sind einfach nochmal eine Stufe über allen anderen anzusiedeln. Das weiß auch Pep Guardiola, ein Zögling La Masias, Barças so erfolgreicher Fußballschule, der die Anziehungskraft seines Herzensvereins wohl besser verstehen kann, als die meisten anderen auf dieser Welt. So nehmen die Dinge eben auch auf eine positive, natürliche Art und Weise ihren Lauf. Der Wechsel des bisherigen Kapitäns lief nach einer für ihn persönlich überragenden Saison absolut korrekt und geräuschlos ab. Ähnlich verhält es sich bei Rechtsverteidiger Kyle Walker, der im Zuge des angestrebten Wechsels zum FC Bayern bereit für eine neuen Herausforderung ist und seinem Trainer über Jahre hinweg ein loyaler Untergebener war. Unter dem Strich runden solch harmonische Transfers das Gesamtbild ab, dass auch Manchester City und sein Trainer nicht davor gefeit sind, sich den oftmals unpopulären Mechanismen des modernen Fußballs zu unterwerfen und jene Abgänge mit neuen großartigen Spielern füllen zu müssen, die mindestens ebenso lernwillig sind wie ihre Vorgänger. Dass ein Pep Guardiola es sich dann erneut zur Aufgabe machen wird, auch auf unkonventionelle Art und Weise das beste aus seinen Schützlingen herauszuholen, versteht sich dabei ganz von selbst.

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