Hey Jude

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Gestern platzte die Bombe endgültig: Jude Bellingham soll sich mit Real Madrid einig sein und nach Abschluss der Verhandlungen zwischen dem BVB und den Königlichen zum spanischen Rekordmeister wechseln. Nach Transferinsider Fabrizio Romano berichtete auch nun mit dem Kicker das erste seriöse deutschsprachige Medium von großen Fortschritten im Zuge dieses Blockbusterdeals. Der Spieler selbst soll schon lange von den Blancos schwärmen und auch die Madrilenen sich lange und intensiv um ihm bemüht haben. Ohne Frage ist dieser Transfer mit diversen Faktoren verbunden, weshalb sich nachfolgende Analyse mit den wichtigsten Konsequenzen des Wechsels befassen soll. Sowohl für den BVB, als auch für Real Madrid und natürlich den Spieler selbst, bei dem wir besonders auf seine Stärken eingehen und mögliche Formationen beleuchten, in denen die Fähigkeiten dieses Youngstars optimal zur Geltung kommen könnten.

Ist-Zustand spricht auf den ersten Blick gegen einen Transfer

Fede Valverde, Eduardo Camavinga, Aurelién Tchouameni, Dani Ceballos, Toni Kroos, Luka Modrić. Dass sind die Namen der Mittelfeldspieler, die aktuell bei Real Madrid unter Vertrag stehen. Stand Mai 2023 wären dass zusammen mit Neuankömmling Bellingham ganze sieben Varianten für nur drei Positionen. Eigentlich zu viel, sollte man meinen. Kroos und Modrić sind nach wie vor gesetzt und auch Fede Valverde steht als mittlerweile etablierte Stammkraft auf dem Sprung zum absoluten Superstar. Dazu kommen mit Eduardo Camavinga, der so gut ist, dass er in der Rückrunde von Anfang an entweder im zentralen Mittelfeld neben den ewigen Maestros oder auf der Linksverteidigerposition eingesetzt wird, sowie mit 80 Millionen Mann Aurélien Tchouaméni zwei Akteure, die ebenso eine rosige Zukunft mit Stammplatzgarantie vor sich haben dürften. Auch Dani Ceballos sollten wir nicht vergessen, der in der Rückrunde eine überragende Performance an die nächste reiht und als starker Charakter und Ballmagnet im königlichen Spiel stets zu überzeugen weiß. Nun ist die Frage, wie da ein Jude Bellingham hineinpassen soll, denn der 19-Jährige Engländer unterliegt, ebenso wie andere Neuzugänge die zum größten Verein der Welt kommen, dem Naturgesetz, sich erstmal bei den Blancos einleben zu müssen. Doch wie passt das zusammen mit dem Anspruch des Spielers, regelmäßige Aussicht auf Spielpraxis zu erhalten und sich auch in Madrid stetig weiterentwickeln zu können?

Bellingham Transfer macht sehr wohl Sinn

Schaut man sich die ganze Szenerie allerdings mal etwas genauer an, ergeben sich aus diesem Transfer einige Möglichkeiten, speziell wenn man auf die kommende Saison blickt. Das ewige Erfolgsduo Kroos und Modrić ist bereits 33 bzw. 37 Jahre alt und wird dementsprechend nicht jünger. Spieler, die in diesem Alter weiterhin auf dem höchsten Niveau performen wollen, brauchen regelmäßige Ruhepausen. Hierbei dürfte es sich um den ersten Schlüsselweg handeln, den Real und sein Verhandlungsführer Juni Calafat, der als Mann im Hintergrund schon die Transfers von Vinícius Jr., Valverde, Tchouaméni und Co. einfädelte, dem jungen Bellingham aufgezeigt haben dürften. Ein weiterer Umstand ist zusätzlich das absehbare Karriereende beider Routiniers: Kroos kündigte schon bei noch unklarer Vertragslage um seine mittlerweile erfolgte Verlängerung bis 2024 an, spätestens nach dem Ende der nächsten Saison aufhören zu wollen und auch Luka Modrić dürfte sich im nächsten Jahr von der großen Bühne verabschieden. Bellingham kann somit noch 12 Monate von diesen Legenden lernen und sich nebenbei die nötige Zeit zur Eingewöhnung nehmen, die sie ihm in Madrid durch die geschickten Umstände dieses Transfers ohne den großen öffentlichen Druck zugestehen können.

Verpflichtung auf den zweiten Blick noch besser

Ein geschickter Schachzug, der noch mehr Feinheiten beinhaltet, wenn wir mal auf die anderen vier Namen schauen, die als Konkurrenz im Kader stehen. Bei Valverde ist der größte Trumpf seine Flexibilität. Zwar kündigte der 24-Jährige Uruguayer in der Vergangenheit immer wieder an, sich langfristig im zentralen Mittelfeld zu sehen, gilt aber gleichzeitig als Teamplayer, der sich zu jedem Zeitpunkt in den Dienst der Mannschaft stellt. Für Eduardo Camavinga gilt selbiges. Der junge Franzose spielt zwar bevorzugt ebenfalls auf der 8, kann aber durch seine Robustheit sowie seine technische Versiertheit problemlos auf der 6 als auch als Linksverteidiger auflaufen. Nicht wenige im Umfeld Reals munkeln, dass er sich im Sommer mit Neuankömmling Fran Garcia (Rayo Vallecano) ein Duell um den Platz hinten links liefern wird und Platzhirsch Ferland Mandy gewinnbringend in die Premier League veräußert werden soll. Zu guter Letzt kommen wir noch zu Aurélien Tchouaméni und Dani Ceballos. Während ersterer zwar ebenso auf der Position von Bellingham agieren kann, ist er im Verein in jedem Fall als defensiver Mittelfeldspieler eingeplant. Der 26-Jährige Ceballos hingegen wäre auf der halblinken Position im Mittelfeld so ein direkter Konkurrent für Bellingham. Zwar wird der heißblütige Andalusier im Vereinsumfeld durch seine Fähigkeiten extrem geschätzt, dürfte aber auch aufgrund seines auslaufenden Vertrages und der Ähnlichkeit zum Noch-Dortmunder das erste prominente Opfer dieses Transfers sein, von dem sich Real Madrid im Sommer trennen wird.

Wie Real mit Bellingham auflaufen könnte

Haben wir nun etwaige Problematiken, die im Zuge der öffentlichen Begleitumstände dieses Wechsels aufkommen könnten, erörtert und entkräftet, schauen wir doch einmal auf die möglichen Varianten im Spiel der Blancos, die mit dem jungen Engländer ab Sommer möglich wären. Egal wer dann als Trainer auf der königlichen Kommandobrücke steht, es gilt als schwer vorstellbar, dass Mister X bei dieser überragenden Auswahl im Mittelfeld von einer Dreierreihe abrückt. Sollte es wie bereits in den Medien kolportiert Wunschkandidat Xabi Alonso werden, hätte Bellingham noch einen weiteren Meister an seiner Seite, von dem er lernen könnte und der ebenfalls eine Dreierformation bevorzugt. Zu groß ist das Potential und noch größer die taktischen Optionen, die sich beispielsweise in erster Möglichkeit durch die Zusammensetzung Kroos-Modrić-Bellingham ergeben könnten. Erstgenannter könnte in dieser Konstellation auf die 6 rücken und Bellingham die halblinke Position an der Seite des kroatischen Vize-Weltmeisters einnehmen lassen. Taktisch sicher eher ein Kniff gegen kleinere, kompakte Gegner, gegen die das Team einen spielstärkeren Ansatz präferiert. Möglichkeit Nummer Zwei bezeichnen wir hier der Einfachheit halber einfach mal als „Option Zukunft“. Bellingham spielt auf halblinks an der Seite von Eduardo Camavinga und 6er Aurélien Tchouaméni, während Kroos und Modrić ihre verdienten Ruhepausen genießen. Denkbar sowohl in weniger wichtigen Spielen als auch gegen Gegner mit einer höheren Intensität wie beispielsweise Liverpool oder ManCity, bei denen Fede Valverde von Rechtsaußen immer wieder ins Mittelfeld schiebt und so numerische Überzahl generieren könnte, um diesem Ansatz optimal entgegenwirken zu können. Option Nummer Drei ist ein Mix aus Jung und Alt, bei dem Bellingham zusammen mit Fede Valverde im Mittelfeld eine Art explosives Powerduo bildet und einen erfahrenen, abgeklärten dritten Mann (optional Kroos oder Modrić) zur Seite gestellt bekommt, um für die nötige Ruhe im Spiel der Blancos zu sorgen. Viele werden bereits erkannt haben: Optionen gibt es viele, bei genannten drei handelt es sich zumindest mal um die denkbarsten Möglichkeiten.

Was bringt der Transfer für beide Vereine?

In Jude Bellingham gewinnt Real Madrid von den grundsätzlichen Eigenschaften des jungen Briten ohne Zweifel einen Spieler, der als besonders ballsicher, vertikal agierend und extrem torgefährlich gilt. Ein klassischer Box-to-Box Spieler, wie man ihn im modernen Fußballjargon bezeichnet. Er erobert die Bälle, verteilt sie an seine Mannschaftskollegen und bringt sich offensiv selbst in hervorragende Abschlusspositionen, die es ihm ermöglichen, sein Team noch unausrechenbarer zu machen. Zudem gilt der 19-Jährige, der heute bereits Vizekapitän in Dortmund ist, als Mentalitätsspieler, der manchmal zwar seine Emotionen nicht ganz im Griff hat und seine Position zu schnell verlässt, seinem Team dafür aber durch seine naturgegebenen Leaderqualitäten etwas mitgibt, dass nur wenige Spieler, erst recht in seinem Alter, können: Die Kraft als unermüdlicher Antreiber stets die Richtung vorzugeben. Vor allem letztere Komponente im Spiel und im Charakter des zentralen Mittelfeldspielers macht ihn für Real zu einem so lohnenswerten Ziel, für das der Verein wohl mindestens 120 Millionen Euro auszugeben bereit ist. Der Trend in Madrid ging in den vergangenen 10 Jahren immer mehr weg von teuren Individualisten hin zu jungen, entwicklungsfähigen Akteuren, die im Schatten der Routiniers zu echten Persönlichkeiten heranreifen konnten. Aus Sicht des BVB ist dieser Transfer zwar sportlich mit dem Verlust eines zentralen Eckpfeilers im System der Schwarzgelben als äußerst schmerzhaft anzusehen, bringt den Borussen aber im Gegenzug eine Ablösesumme im dreistelligen Millionen Bereich, den die Verantwortlichen sicher klug zu reinvestieren wissen. In der Vergangenheit gelang dies der Borussia bei Verkäufen in diesen Dimensionen (z. B. Dembélé, Sancho, Haaland) stets herrvorragend. Es handelt sich bei diesem Geschäft um eine klassische Win-Win-Situation für beide Vereine, die auch die dritte Partei, nämlich die des Spielers, mehr als zufriedenstellen wird. Spätestens, wenn er in Madrid auf seinen ersten Gehaltscheck blickt.

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