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Ist der Tuchel Effekt etwa schon wieder verpufft? Nach der eindrucksvollen Machtdemonstration im Spitzenspiel gegen den BVB (4:2), musste sich der deutsche Rekordmeister im DFB-Pokal Viertelfinale gegen den SC Freiburg am gestrigen Dienstag vorzeitig vom bajuwarischen Triple Traum verabschieden. Gegen die Breisgauer wurden wieder einmal Schwächen deutlich, die unter Ex-Trainer Julian Nagelsmann schon offensichtlich waren und sich auch unter seinem Nachfolger nicht abstellen zu lassen scheinen. Warum die sportliche Achterbahnfahrt hauptsächlich auf charakterliche Probleme zurückzuführen ist, wie der SC Freiburg es mit Minimalismus ins Halbfinale schaffte und weshalb sich auch die Vereinsbosse mal genauer hinterfragen sollten, erfahrt ihr im folgenden Text.
Minimalismus schlägt Qualität
Am Ende hieß es also 1:2 aus Sicht des FC Bayern gegen den Underdog aus Freiburg, der in Folge des Last-Minute Treffers durch Lucas Höller nach völlig unnötigem Handspiel von Musiala aus dem Freudentaumel gar nicht mehr rauszukommen schien (93.). Nachdem der Rekordmeister früh durch ein zweifelhaftes Tor von Dayot Upamecano (19.) in Führung ging, glichen die Gäste schnell durch ein wunderschönes Distanztor von Chico Höfler aus und stellten alles wieder auf Pari (27.). Im weiteren Verlauf der Partie rannte der FC Bayern lange erfolglos an und versuchte sich aus dem Spiel heraus immer wieder durch Positionsrochaden (Gnabry/Sané oder Mané/Musiala) sowie schnelles Kombinationsspiel in die Spitze zu spielen, was die Freiburger Hintermannschaft allerdings in den meisten Fällen äußerst souverän wegverteidigte. Anders stellte sich der Sachverhalt bei Standards da, die von Kimmich scharf getreten durchgängig für Gefahr sorgten und den nicht immer sicheren Torwart Flekken nur dank des Aluminiums vor dem Einschlag bewahrten (62.). Die Freiburger, die selbst, speziell im zweiten Durchgang, kaum Angriffsbemühungen nach vorne starteten, konzentrierten sich in erster Linie darauf, die Räume engzumachen und den Rekordmeister immer wieder in für sie ungefährliche Zonen abzudrängen, die der SCF folglich besser kontrollieren konnte. Dass das 1:2 per Elfmeter durch Lucas Höler praktisch mit der letzten Aktion des Spiels fiel und dem Team von Christian Streich so den Einzug in die Runde der letzten Vier bescherte, ist bezeichnend für die mangelnde Durchschlagskraft der Gastgeber sowie die offensichtlichen Charakterschwäche dieser Truppe, die mit jeder bedeutenden Niederlage mehr zu Tage zu tritt.
Sportliche Achterbahnfahrt ist Ausdruck eines Charakterproblems
Die Bayern, allen voran Unglücksrabe Jamal Musiala, ließen ihrem Frust nach dem Spiel freien Lauf und mussten sich frühzeitig in der Saison vom ersten der drei anvisierten Titeln verabschieden. Doch wie war die Niederlage überhaupt zustande gekommen und wer hatte diese zu verantworten? Um eins vorweg zu nehmen: Der Trainer war es sicherlich nicht. Es lag wie auch in den vergangenen Monaten nicht an einer mangelhaften Spielvorbereitung oder zwischenmenschlichen Problemen mit dem Coach oder dem Staff, sondern vielmehr einfach am individuellen Versagen einzelner Spieler. Akteure wie Gnabry oder Mané, die seit Monaten außer Form sind, vermochten es einmal mehr ihr aktuelles sportliches wie charakterliches Unvermögen öffentlich zur Schau zu stellen und sich in der kollektiven Lethargie zu verstecken, denn als Führungsspieler voranzugehen. Gleiches gilt für Leroy Sané, den ich aber aufgrund seiner Leistungssteigerung in den letzten Wochen hier ein stückweit herausnehmen möchte. Doch auch sein Hang zum Wegducken ist öffentlich bekannt und umreißt das Problem in dieser Mannschaft perfekt: Es fehlt an den Basics wie der Körpersprache, dem Willen und der nötigen Einsatzbereitschaft, die weder unter Julian Nagelsmann noch unter Thomas Tuchel etabliert werden konnten. Es geht nicht um die unglaubliche individuelle Qualität in diesem Team oder das taktische know-how des Trainers an der Seitenlinie, sondern schlicht und ergreifend um fehlende Charakterstärke. Dem FC Bayern fehlt die Identität und das Wir-Gefühl, das den Verein in der Vergangenheit immer wieder auszeichnete.
Vereinsbosse sollten sich dringend hinterfragen
Nicht zuletzt Bayern Legende Lothar Matthäus bemängelte im öffentlichen TV-Schlagabtausch mit Oliver Kahn im Rahmen des Topspiels gegen den BVB am vergangenen Samstag das abhanden gekommene „Mia san mia“ Gefühl im Verein, was vor allem durch die zunehmende Verwirtschaftlichung des Clubs sowie die Besetzung der Führungspositionen zum Vorschein kommt. Allein voran sind da in meinen Augen die Personalien Hasan Salihamidžić, Oliver Kahn aber auch Vereinspräsident Herbert Hainer zu nennen, die in den vergangenen Wochen und Monaten öffentlich immer wieder ein schlechtes Bild abgeben. Besonders erstgenannter, der zuletzt, auch von mir, noch für seine kurzfristigen Transfererfolge gefeiert wurde, gerät so wieder einmal in die Schussbahn der Öffentlichkeit und befeuert die Debatten um seine Eignung als Sportvorstand des FC Bayern München erneut. Dass er im Interview nach dem Spiel über die Verpflichtung eines neuen Stürmers sprach und diese nicht ausschloss, zeigt mir nur wieder einmal, dass er das Grundproblem dieser Mannschaft absolut nicht verstanden hat. Die Anzahl von „Brazzos“ Verfehlungen häuft sich und gipfelt durch das Ausscheiden sowie die in meinen Augen völlig überstürzte Entlassung Nagelsmanns wieder einmal in der Feststellung, dass diese Mannschaft falsch zusammengestellt wurde. Selbiges gilt für Oliver Kahn, der seinen Job öffentlichkeitswirksam durch seine feine Rhetorik zwar gut auszufüllen scheint, bei näherem Hinsehen aber ebenso einige fragwürdige Entscheidungen traf. Auch er hat die Absegnung finanzieller Mittel für Transfers sowie die Mannschaftsdynamik als CEO des Clubs maßgeblich mitzuverantworten. Dem FC Bayern fehlt das sportliche Gesicht und die Fähigkeit, den Finger in die Wunde zu legen. Es herrscht eine Vakanz, die seit dem Abgang von Matthias Sammer nicht mehr gefüllt werden konnte.
Freiburg glänzt durch Effektivität
Die Freiburger hingegen machten es dem FC Bayern sportlich sowie charakterlich vor, warfen sich in jeden Zweikampf, sprangen dem Mitspieler zur Seite und verteidigten leidenschaftlich den eigenen Traum vom Weiterkommen. Dass die Mannschaft von Trainer Christian Streich nun zum zweiten Mal in Folge mindestens das Halbfinale im DFB-Pokal erreicht, kommt nicht von ungefähr und ist Ausdruck der guten Arbeit im Verein, der beständig durch gute Leistungen auf und neben dem Platz glänzt. Im Club stimmt es und sorgt dafür, dass der Pokalsieger 2023 wie schon die beiden Jahre zuvor nicht aus München kommt. Das man als zehnmaliger Deutscher Meister in Folge und Triple Sieger von 2020 das Finale von Berlin wiederholt nicht erreichen konnte und zum dritten Mal hintereinander schon vor dem Halbfinale die Segel streichen musste, untermauert erneut die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit beim FCB. Der Rest Fußballdeutschlands hingegen freut sich über die Entwicklung des Vereins sowie der Rückkehr des berüchtigten FC Hollywood und gratuliert gleichzeitig dem sympathischen Halbfinalisten aus dem Breisgau.