Eine Schwarz-Gelbe Katastrophe

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Noch vor wenigen Monaten stand der BVB dank einer überragenden Rückrunde dicht vor der ersten deutschen Meisterschaft seit 11 Jahren. Dass es am Ende doch nicht reichte, lag mehr am individuellen Unvermögen denn an fehlender Qualität und dem nötigen Zusammenhalt im Team, das sich damals trotz aller Widerstände der Unterstützung der Fans sicher sein durfte. Nur wenige Monate später ist das Stimmungsbild rund um den Signal-Iduna-Park längst ein völlig anderes. Immer mehr Kritik kommt auf an der offensichtlich unzureichenden Personalplanung und der damit einhergehenden Reinvestition der Millionen aus dem Transfer von Jude Bellingham. Warum der BVB sehenden Auges ins eigene Verderben rennt, weshalb auf einigen Postionen eine extreme Qualitätslücke klafft und wie Terzić, Kehl und Co. die anvisierten Saisonziele höchstpersönlich in Gefahr bringen, erfahrt ihr im heutigen Kommentar zur Lage bei Borussia Dortmund.

Schlechte Transfers als Sinnbild

Nicht erst seit dem Offenbarungseid beim 2:2 gegen Aufsteiger Heidenheim, gegen den man sogar mit einer komfortablen 2:0 Führung in die Halbzeit gegangen war, droht die Stimmung rund um den BVB nun komplett zu kippen. Vermehrt stellen sich Grundsatzfragen nach der vorhandenen Qualität im Kader von Trainer Edin Terzić sowie dessen fragwürdigen Personalentscheidungen. Wie ist es möglich, dass man sich gegen einen individuell so klar unterlegenen Neuling von der Ostalb einen derart wilden Schlagabtausch liefert, der bis dato die gesamte Spielzeit 23/24 des Teams widerspiegelt? Die Antwort: Es fehlt an allen Ecken und Enden. Angefangen bei der Qualität im Team, das durch völlig falsche Prioritäten in puncto Transfers alles in allem im Vergleich zur vergangenen Spielzeit definitiv verschlechtert wurde. Den 100-Millionen-Abgang von Leader Jude Bellingham versuchte der Verein vergeblich durch den völlig überteuerten Transfer von Felix Nmecha (30 Millionen Euro Ablöse) sowie Bayern-Reservist Marcel Sabitzer (19 Millionen Euro Ablöse) aufzufangen. Den ablösefreien Wechsel vom spielintelligenten sowie polyvalent einsetzbaren Raphaël Guerreiro kompensierte der BVB durch den ebenfalls ablösefreien Ramy Bensebaini, der insgesamt aber ein Downgrade zum einstigen portugiesischen Publikumsliebling darstellt.

Diskussionen rund um Terzić nehmen zu

Verantwortlich für die katastrophale Personalplanung sind neben Sportvorstand Sebastian Kehl besonders Edin Terzić und sein Trainerteam, die in enger Zusammenarbeit mit ihren Vorgesetzten eine Mannschaft basierend auf den eigenen Ideen zusammenstellen und diese dementsprechend aufstellen. Nicht das erste Mal eckt der charismatische Chefcoach für seine Personalauswahl sowie seine destruktive Spielweise an, die sich mit den oft desaströsen Entscheidungen seiner Spieler auf dem Platz deckt und so in einem Teufelskreis resultiert. Eine extrem poröse Defensive gepaart mit offensiver Harmlosigkeit par excellence sorgen für einen Dortmunder Stotterstart und offenkundige Probleme bezüglich der mannschaftlichen Balance, die Trainer Terzić hätte frühzeitig identifizieren und ausmerzen müssen. In der vergangenen Saison ließen sich derartige Mängel noch durch die nötige Leidenschaft, Aggressivität und den absoluten Siegeswillen von Akteuren wie Bellingham, Can und Co. übertünchen, was sich aber spätestens jetzt als temporäres Phänomen entlarvt. Das, was sich im bisherigen Saisonverlauf schon frühzeitig beim schwachen Pokalauftritt bei der TSV Schott anbahnte und auch im großen 4Ballers Saisonvorschau-Podcast bereits prognostiziert wurde, ist ein erschreckendes Abziehbild der letztjährigen „Hinrunde“, die der BVB vor der WM-Pause auf Platz 6 abschloss. Längst finden beim BVB die ersten Krisensitzungen statt.

Probleme mit Ansage

Die Verantwortlichen haben einfach den Ernst der Lage nicht verstanden, was nicht zuletzt der kürzlich vollzogene Transfer von Niclas Füllkrug verdeutlicht. Mit dem deutschen Nationalstürmer haben die Bosse oberflächlich einen Topstürmer an Land gezogen, der als Soforthilfe im Angriff agieren kann. Einziges Problem: Mit Sébastien Haller besitzt das Team dieses Profil bereits und sorgte zudem dafür, dass aufgrund der freigegebenen Millionen für den aktuellen Torschützenkönig ein weiteres Investment für die Abwehr unmöglich gemacht wurde. Wie ist das zu rechtfertigen, wenn man sich vor allem die löchrige Innenverteidigung sowie die rechte Abwehrseite anschaut, die ein ums andere Mal eklatante Qualitätsmängel aufwies? Armel Bella-Kotchap wäre so ein Kandidat gewesen, der als vielseitig einsetzbarer Allrounder diese Lücken hätte schließen können. Dass der Spieler sich mit dem BVB einig war und ihm schlussendlich aufgrund der unfassbar kurzsichtigen Personalplanung wieder absagte, zeigt einmal mehr, wie amateurhaft in diesem Transferfenster gearbeitet wurde. Ohnehin hat der Verein, wenn man mal auf die Liste der Neuzugänge schaut, von Scouting im Ausland in den letzten Monaten recht wenig gehalten.

Quo vadis, BVB?

Wie gehts also nun weiter beim BVB? Im Zuge der Ländespielpause entsteht für das Team grundsätzlich die Möglichkeit, an internen Abläufen zu arbeiten und durch punktuelle Anpassungen und Einzelgespräche Zugang zu den Spielern zu finden. Kehrseite der Medaille ist die Abwesenheit der Nationalspieler, die dennoch den Kern dieser Mannschaft ausmachen und so nicht in derartige Prozesse mit eingebunden werden können. Grundsätzlich gilt es für Terzić und Co. schnellstmöglich vor allem in der bisher stark vernachlässigten taktischen Komponente nachzulegen und das Team auf ein stabileres Fundament zu stellen. Sei es eine grundsätzliche Systemfrage wie die Idee, eine defensiv stabilere Dreierkette zu implementieren oder offensichtlichere Anpassungen wie die Positionierung von 6er Emre Can sowie einen möglichen spielstarken Nebenmann für diesen zu installieren. Fußballerische Ansätze und Möglichkeiten gibt es für diesen grundsätzlich starken Kader mit gewissen Dysbalancen viele, sie müssen aber auch wahrgenommen und vor allem umgesetzt werden. Klar scheint nur eines: Die Prämisse „Weiter so“ und den sturen Fokus auf die Malochermentalität zu bewahren muss Borussia Dortmund in jedem Fall ablegen, will man die Saison noch zu einem erfolgreichen Ende führen.

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