Ballon d’Or – https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/ Foto: Ank Kumar
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Der Lateiner würde sagen: Alea iacta est. Die Würfel sind gefallen. Der Ballon d’Or fand auch im Jahr 2024 als Fortführung einer gewissen Dauerkontroverse erneut einen fragwürdigen Sieger. Warum Vinícius Júnior der legitime Preisträger gewesen wäre und wie sich die aktuellen Geschehnisse auf die Zukunft des europäischen Fußballs auswirken werden, erfahrt ihr im heutigen Kommentar.
Rodri gewinnt also den Ballon d’Or 2024. Zuerst einmal Gratulation für ein herausragendes Jahr inklusive EM-Titel sowie englischer Meisterschaft. Der Spanier ist ohne Frage ein absoluter Unterschiedsspieler im Mittelfeld und einer der einflussreichsten Sechser der vergangenen Dekade. Auch sein kürzlich erlittener Kreuzbandriss tut seiner Leistung inklusive unglaublicher Ungeschlage-Serie von insgesamt 74 Spielen keinen Abbruch. Doch Rodri ist dennoch nicht der legitime Preisträger.
Das ist nämlich ein gewisser Vinícius Júnior. Die Fabelsaison seines spanischen Kollegen noch einmal in den Schatten zu stellen, ist eine absolute Ansage – Und der Brasilianer lieferte genau diese. Sowohl beim Champions-League-Titel Real Madrids als auch dem Triumph in La Liga erwies sich der 23-Jährige als klarer MVP seiner Mannschaft. Der von seinen Teamkollegen nur „Viní“ genannte Edeltechniker war in den wichtigen Spielen stets das Zünglein an der Waage.
Reals Nummer 7 traf im Champions League Finale gegen Borussia Dortmund zum 2:0 Endstand und sie traf auch beim 4:1 im Supercopa Finale gegen den FC Barcelona. Und das gleich dreifach. Die Liste an derart außergewöhnlichen Performances ließe sich noch gefühlt ewig fortführen. Doch warum erhielt dieser begnadete Einzelkönner dann nicht auch seine verdiente Würdigung in Form des goldenen Balls?
Ballon d’Or für everybodys darling
Die Antwort: Er passt nicht ins Bild dieses Systems. Im ersten Jahr des neuausgerichteten Ballon d’Or in Zusammenarbeit zwischen France Football und der UEFA (!) führte man plötzlich ein ganz entschiedenes Kriterium ein, welches Vinícius Junior schlussendlich den Sieg kosten sollte: Den Fair-Play-Aspekt. Ein feiner Schachzug der Ausrichter. Bereits seit Jahren wird das öffentlich Image des Brasilianers bewusst konterkariert. Das doppelmoralistische Urteil der Medien über den Weltstar: Zu aufmüpfig, zu arrogant, zu selbstverliebt.
Einem 23-Jährigen wurde öffentlich beispielsweise immer wieder verübelt, ein Publikum gegen sich aufzuhetzen, welches ihn bei Auswärtsfahrten der Königlichen regelmäßig über 90 Minuten hinweg rassistisch anfeindet. An einer Autobahnbrücke Madrids hingen schon mal erhängte Puppen des Brasilianers herab. Tänze und Showeinlagen sind eine bewusste Provokation, ja. Aber damit hat das Publikum zu leben, denn es tritt schließlich in Vorleistung.
Auch gegenüber Gegenspielern und Schiedsrichtern ist der 23-Jährige in der Vergangenheit immer wieder auffällig geworden. Auch wenn das Verhalten des Brasilianers auf dem Platz polarisiert, ist es definitiv kein K.o.-Kriterium für eine Wahl als Weltfußballer. Der Ballon d’Or ist schließlich kein Preis der Leute, sondern ein Preis des Fußballs. Und darin war Vinícius in diesem Jahr einfach der Beste.
Dennoch gewann Rodri – und das mit einem faden Beigeschmack. Nicht nur, weil ein anderer augenscheinlich der verdientere Preisträger gewesen wäre, sondern auch, weil die Geschichte der UEFA mit Real Madrid eine komplizierte ist. Die Historie der Super League inklusive Rechtsstreit zwischen den beiden europäischen Großmächten ist hinlänglich bekannt. Ebenso wie die Abneigung des europäischen Dachverbands gegenüber den Königlichen. Zieht man diesen Punkt bei der Kriterienauswahl in Erwägung, bekommen neu eingeführte Punkte wie der Fair-Play-Aspekt, der bei der Abstimmung offensichtlich das Zünglein an der Waage war, eine fragwürdige Wirkung.
Dass Real und seine gesamte Entourage das Protz-Event in Paris deshalb boykottierten, ist nur folgerichtig. Wer den besten Spieler der Welt nicht respektiert, wird andersherum ebensowenig respektiert. Die Message ist klar und genauso die Folge dieser Ereignisse: Einen Vinícius Júnior wird das sicherlich noch einmal mehr motivieren, im kommenden Jahr als Preisträger zu triumphieren.