Verletzungswelle in Europa – Wenn die Profitgier überhand nimmt

Verletzung – https://creativecommons.org/publicdomain/mark/1.0/deed.en Foto: Unbekannt

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Verletzungen im Profifußball sind ein zentrales Thema, das den Leistungssport im Zuge der immer weiter ansteigenden Belastungen bereits seit Jahren begleitet. Die Spiele werden immer mehr, die Verletzungen nehmen längst überhand. Doch trotz immer lauter werdenden Kritiken von Fußballern und Funktionären wird die Situation immer bedrohlicher. Für die physische, aber auch die mentale Gesundheit der Spieler.

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Dani Carvajal war am vergangenen Sonntag das neueste Opfer einer Verletzungswelle, die in dieser Spielzeit europaweit keine Grenzen zu kennen scheint. Die Diagnose: Riss des vorderen Kreuzbandes, Riss des äußeren Seitenbandes, Riss der Sehne in der Kniekehle. Quasi ein Totalschaden im Knie war die Folge der ohrenbetäubenden Schreie auf dem Feld wenige Stunden zuvor. Diese Diagnose kommt einer körperlichen Katastrophe gleich. Doch was früher ein vielbeachteter Einzelfall war, ist in den letzten Monaten leider zur (grausamen) Realität geworden. Die erschreckende Wahrheit ist: Ein Drittel aller Sportunfälle entfällt auf den Fußball.

Allein bei Real Madrid ist Carvajal innerhalb von 13 Monaten neben Thibaut Courtois, Eder Militao und David Alaba bereits der vierte Spieler der Profimannschaft, der sich einen Kreuzbandriss zuzieht. Ein Zufall? Mitnichten, denn auch andere völlig überbelastete Stars der Fußballwelt holte dieses Schicksal in jüngster Vergangenheit bereits ein. Beispielsweise ManCity Star Rodri erlitt vor wenigen Wochen die gleiche Verletzung. Ausgerechnet Rodri möchte man sagen, denn wenige Tage zuvor hatte der 28-Jährige noch mit einem Streik gedroht. Ein Vorhaben, dass viele Kollegen umgehend befürworteten.

Streikvorhaben der Profis – Realität oder nur heiße Luft?

Barcelonas Jules Koundé oder City-Kollege Kevin de Bruyne sprangen Rodri nach seinen Äußerungen öffentlich zur Seite und plädierten aufgrund der körperlichen Überlastung ebenfalls für eine deutlich reduzierte Anzahl der Spiele. Auch sie zogen damit öffentlich einen Streik in Erwägung, der den Medienzirkus Profifußball nachhaltig erschüttern könnte. Doch ob es wirklich so kommt, ist äußerst fraglich. Die Zugpferde des Sports wären ohne Zweifel dazu in der Lage, mit derartigen Maßnahmen für öffentliche Aufruhr zu sorgen. Dennoch herrschen bislang schlichtweg nicht die Vorraussetzungen für eine Umsetzung eines solchen Vorhabens.

Zum einen gibt es derzeit einfach nicht die nötige Manpower, um einer solch drastischen Maßnahme den nötigen Nachdruck zu verleihen. Wenige Top-Spieler Europas reichen einfach nicht, um langfristig für ein Umdenken zu sorgen. Die Wettbewerbe, die zu den monetär wichtigsten Attraktionen zählen, wären einfach nicht nachhaltig genug gefährdet. Ein Fernbleiben von 2-3 Stars könnte der Weltverband einfach mit dem Sachverhalt einkalkulierter Verletzungen gleichsetzen. Doch als wäre das nicht genug, gibt es auch rechtlich bislang leider keine solide Grundlage für einen Streik.

„Wenn es so weiter geht, haben wir keine andere Wahl. Wir sind die Akteure, die unter dem Terminkalender leiden.“ (Rodri wenige Tage vor seinem Kreuzbandriss)

Denn laut Experten-Meinungen ist es für Profis trotz akuter Verletzungsgefahr nicht ohne Weiteres möglich, die Arbeit einfach niederzulegen. Drohende Schäden und Überbelastungen müssen nämlich erst einmal nachgewiesen werden. Ist das nicht der Fall, stehen den Spielern horrende Sanktionen ins Haus. Strafen wie eine Spielsperre oder Ähnliches wirken oftmals als abschreckendes Mittel.

Einer Studie zufolge leidet ein Drittel aller Profifußballer unter psychischen Belastungen. Trotz der Warnung von etlichen Sportmedizinern, dass 60-70 Spiele pro Saison für den menschlichen Körper sowohl psychisch als auch physisch auf höchstem Niveau einer Zumutung mit erwartbaren Folgeschäden gleichkommen, sind rudimentäre Maßnahmen wie ein angedrohter Spielerstreik wohl weiterhin reine Utopie. Doch wie könnte die Zukunft der Spieler ohne ausreichende Regenerationsmaßnahmen aussehen?

Trainer gegen Verletzungen

Diverse Top-Coaches der europäischen Elite sorgten zuletzt mit unterschiedlichen Ansätzen für Aufruhr. City-Trainer Pep Guardiola beispielsweise bestärkte seine Spieler in ihrem Vorhaben, über präventive Maßnahmen wie eine Streik nachzudenken. Auch Leverkusens Meistertrainer Xabi Alonso setzte sich zuletzt für ein Mitspracherecht der Profis ein. In der Bundesliga erwiesen sich Verletzungen zuletzt ebenfalls als zentrales Problem.

Real Trainer Carlo Ancelotti zieht diversen Medienberichten zufolge in Erwägung, seine Leistungsträger während der Saison kalkulierte Auszeiten zu gewähren. Dies käme einem revolutionären Ansatz gleich, der in der Fußballwelt ein absolutes Novum darstellen würde. Spielpausen während der Saison, um einer dauerhaften Überbelastung vorzubeugen, wären der letzte Ausweg, den unweigerlichen Folgen entgegenzuwirken.

Die Spielergewerkschaft FIFPro warnte zuletzt vor möglichen Überlastungen, sieht mögliche Spielerstreiks aber dennoch als letzten Ausweg an. Dieser Organisation zufolge fehlt es den unzähligen Wettbewerben an der nötigen Regulierung. Hier wird beispielsweise eine Obergrenze an Spielern pro Partie ins Gespräch gebracht.

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Dennoch würde auch das die Dachverbände nicht davon abhalten, weiterhin neue Wettbewerbe ins Leben zu rufen, um langfristig noch mehr Einnahmen zu generieren. Als wäre das nicht schon genug, kommen für die Top-Profis dieser Welt auch noch Nationalmannschaftspflichten hinzu. Eine Einladung des Nationaltrainers gilt für viele Kicker immer noch als enormes Privileg.

Dennoch sorgten unter anderem bei der DFB-Auswahl zuletzt reihenweise Absagen für Aufruhr. Nachdem Jamal Musiala von Bundestrainer Julian Nagelsmann vorsorglich in München gelassen wurde, sagten auch Spieler wie David Raum, Niclas Füllkrug oder zuletzt Benjamin Henrichs aufgrund von Verletzungen ab. Eine ungünstige Momentaufnahme? Sicherlich nicht, sondern vielmehr ein konsequenter Trend der oben aufgeführten Problematik.

Doch auch das wird bei keinem der Verbandsoberen ausreichend Gehör finden, um langfristig etwas zu verändern. Der völlig ausgereizte Spielplan und bevorstehende Neuerrungen wie die pompöse FIFA Club-WM werden stattfinden. Und das dann folgerichtig auch noch in den USA, eine Reise, die ins Zentrum der Welt auch auf dem amerikanischem Markt für weiteres Aufsehen sorgen wird. Wasser auf die Mühlen eines jeden FIFA-Funktionärs.

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