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Die bevorstehenden Freundschaftsspiele der deutschen Nationalmannschaft gegen Japan und Frankreich sind nicht bloß zwei ganz normale Länderspiele, sondern entscheiden maßgeblich über die Zukunft von Bundestrainer Hansi Flick. Nach desaströsen Auftritten vor der Sommerpause muss das Team jetzt liefern, wenn der ehemalige Bayern-Coach weiter im Amt bleiben möchte, um die DFB-Elf zur Heim-EM im nächsten Jahr zu führen. „Do or Die“ heißt es in den kommenden Tagen und ist heute Anlass genug dafür, zu beleuchten, auf welche Tugenden es für Flick und seine Männer jetzt besonders ankommt, welche taktischen Ansätze gewählt werden müssen und wie man ganz von allein eine besondere Euphorie im eigenen Land entfachen kann.
Desaströser Ist-Zustand
Die Stimmung rund um die Nationalmannschaft könnte aktuell angespannter nicht sein. Vor den richtungsweisenden Tests gegen Japan und Frankreich rumort es rund um die Nationalmannschaft seit einiger Zeit gewaltig. Grund dafür sind zum einen die schlechten Ergebnisse über die letzten Monate. Bestens im Gedächtnis sind aufgrund der relativ kurzen Zeitspanne vor allem die besorgniserregenden Auftritte gegen Polen (0:1) und Kolumbien (0:2) vor der Sommerpause, die Flick und sein Team auch innerhalb des Verbands massiv unter Zugzwang gesetzt haben. Abzüglich dieser sportlich offensichtlichen Tatsache fällt dem Umfeld rund um die Mannschaft zudem immer wieder die teils haarsträubend wirkende Außendarstellung auf die Füße. Anstatt im Vorfeld des ersten Turniers in der Bundesrepublik seit fast 20 Jahren eine dringend benötigte Euphoriewelle zu entfachen, ist aktuell Endzeitstimmung angesagt. Auch die kürzlich erschiene Amazon-Doku „All or Nothing“ über die Ereignisse der WM 2022 in Katar ist dem Gesamtbild sowie der aktuellen Drucksituation dabei nicht sonderlich zuträglich.
Trainer und Spieler gleichermaßen in der Verantwortung
Wie es um die (verzerrte) Wahrnehmung innerhalb der Mannschaft bestellt ist, zeigt ein Zitat von Kai Havertz auf der Pressekonferenz vergangenen Donnerstag, als er den mangelnden Rückhalt der deutschen Fans in Bezug auf die Fußballnationalmannschaft beklagte. Dabei wäre es doch eigentlich im Interesse aller Beteiligten, an einem Strang zu ziehen. Besonders wenn es um den Support von Außen geht, handelt es sich im Kreise der Nationalmannschaft um eine gegenseitige Wechselwirkung. Überzeugt man auf dem Platz durch mitreißenden Fußball, Leidenschaft und den nötigen Siegeswillen, holt man automatisch auch die eigenen Anhänger wieder mit ins Boot, die sich mit den vorgelebten Tugenden identifizieren und so den nötigen Support liefern könnten, um das Team ihrerseits wieder zu Höchstleistungen zu pushen. Das Kollektiv auf dem Platz braucht einfach wieder eine sportliche Identität, die man sich auch in schwierigen Phasen beibehält, ohne beim kleinsten Widerstand gleich wieder alles über den Haufen zu werfen. Damit einher geht ebenso die taktische Spielidee von Flick und seinem Staff, das seit Amtsantritt vor knapp zwei Jahren nur äußerst selten zu überzeugen wusste.
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Taktischer Plan ausschlaggebend
Wie also könnten Flick und Co. die Zeit bis zur EM und das Turnier selbst auf taktischer Grundlage angehen? Die Antwort: Im modernen Fußball liegt der Schlüssel in der Variabilität. Laut diversen Medienberichten plant man Joshua Kimmich zukünftig als inversen Rechtsverteidiger ein, der getreu dem Vorbild von John Stones´ Rolle unter Guardiola bei Manchester City im Spielaufbau konsequent ins Mittelfeld rückt. Dieser taktische Kniff sieht zum einen die Stärkung des Zentrums vor und liefert dem Team auch spielerisch einen variableren Ansatz, wenn es um die zahlreichen Möglichkeiten im Spielaufbau geht. Des Weiteren stellte in der Vergangenheit auch die Offensive immer wieder ein Problemkind dar, dem sich ebenso dringend zugewendet werden muss. In Niclas Füllkrug besitzt man (wenn fit) einen Zielspieler mit absolutem Killerinstinkt, der aber durch seine Mitspieler mit den nötigen Zuspielen gefüttert werden muss. Dabei fällt das Scheinwerferlicht vor allem auf Serge Gnabry und Leroy Sané, denen besonders aufgrund ihrer Fähigkeiten im Eins-gegen-Eins eine Schlüsselrolle bei der Kreation von Torchancen zukommen wird. Findet man hier eine klare Rollenverteilung und sorgt durch die richtige Spielerauswahl dafür, dass sich nicht zu viele Akteure durch ihre ähnliche Interpretation des Spielgeschehens in den gleichen Räumen aufhalten (bspw. mit Havertz als Neun stünde man vor dieser Problematik), kommt das deutsche Offensivspiel deutlich unausrechenbarer daher. Die Spielertypen stehen Hansi Flick grundsätzlich zur Verfügung, er muss sie nun nur noch richtig einsetzen.
Postitive Veränderungen = Euphorie
Gelingt dem DFB-Team zum einen die radikale Veränderung der eigenen Körpersprache sowie die dringend notwendige Optimierung der eigenen „Persönlichkeit“, wird dieser Umstand auch auf die Fans überschwappen. Grundlegende Tugenden wie die angesprochene Leidenschaft sowie Aufopferungsbereitschaft waren schon immer Dinge, die zusammenschweißen. Fragt an der Stelle mal nach bei Jürgen Klinsmann und der Mannschaft von 2006. Die Euphorie kommt mit der Zeit und wird gepaart mit einem funktionierenden taktischen Ansatz dafür sorgen, dass Kai Havertz und Co. sich dann auch nicht mehr so alleine fühlen müssen. Die angesprochene Wechselwirkung ist der Schlüssel zu gemeinsamen Erfolgen und möglicherweise ebenso der Schlüssel für den Verbleib von Hansi Flick als deutscher Nationaltrainer. Gelingt das nicht, ist der 58-Jährige schneller Geschichte, als er gucken kann!