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Denkt man an Real Madrid, denkt man vermutlich zuerst an Vereinslegenden wie Alfredo di Stefano, Raúl oder nicht zuletzt Rekordtorjäger Cristiano Ronaldo. Andere, die diese Mannschaft nicht an ihren ruhmreichen Stars, sondern den sportlichen Errungenschaften festmachen wollen, nennen wohl als allererstes die UEFA Champions League, die man als Rekordsieger bereits 14 Mal gewinnen konnte. Ebenfalls ist man Rekordmeister in der heimischen LaLiga. Auch den europäischen Supercup, den nationalen Supercup und die Club WM hat man bereits häufig genug gewonnen. Nicht umsonst ist man wegen seiner so geschichtsträchtigen Vereinshistorie als Mythos, als der beste, größte und schillerndste Verein der Welt bekannt. Dem geneigten Fan wird allerdings bei der Aufzählung diverser Titel eines nicht entgangen sein: Der spanische Pokal fehlt. Und das hat einen ganz bestimmten Grund, so ist man in diesem Wettbewerb weder Rekordsieger noch der Verein mit den zweitmeisten Titeln. Wie man sich denken kann, ist das auf den ersten Blick so überhaupt gar nicht vereinbar mit dem Selbstverständnis dieses so stolzen Hauptstadtklubs. Worauf dieses rätselhafte Phänomen zurückgeht und warum Real Madrid entgegen des eigenen Anspruchs in diesem Wettbewerb seit Jahren ein regelrechter Fluch anhaftet, erfahrt ihr im folgenden Text.
Andere Wettbewerbe werden in Madrid priorisiert
Real Madrid ist der größte Verein auf der ganzen Welt und auch daher ist das Beste gerade gut genug. Das gilt nicht nur für die eigene Spielerauswahl, sondern auch für die zu gewinnenden Wettbewerbe. Ebenso ist die Art und Weise an der Concha Espina von besonderer Wichtigkeit. Und das Beste ist in diesem Fall die Champions League. Dass es der Anspruch des Vereins ist, den prestigeträchtigsten Titel im europäischen Fußball am Besten im Dauerabo für sich zu beanspruchen, bestätigte nicht zuletzt Trainer Carlo Ancelotti, der auf einer Pressekonferenz vor dem Pokalauftakt gegen CP Cacereño selbstverständlich davon sprach, dass „die Champions League in Madrid vor allem gegenüber der Copa del Rey (spanischer Pokal) stets Priorität“ habe. Das kommt nicht von ungefähr, wenn man sich die Pokalauftritte des Vereins in den letzten Jahren einmal genauer ansieht. Der letzte Erfolg in diesem Wettbewerb datiert vom 16.04.14 im Finale gegen den FC Barcelona durch ein Jahrhunderttor von Gareth Bale, an das sich wohl vor allem die Fans des damaligen Gegners äußerst ungerne zurückerinnern werden. Seitdem reichte es in sieben Anläufen gerade ein einziges Mal zum Einzug ins Halbfinale, in dem es erneut gegen den ewigen Rivalen aus Katalonien ging und verloren wurde. Ansonsten ist dieser königliche Schandfleck beschmiert mit leidenschaftslosen, teils blamablen Auftritten, bei denen immer wieder gegen Mannschaften wie Celta Vigo, Leganes oder Alcoyano Schluss war. Dass letzteres Team dabei zum Zeitpunkt der Austragung ein Drittligist war, lässt die Madrilenen nicht gerade in einem besseren Licht dastehen. Nicht zuletzt der Blick auf die Endstationen in diesem Wettbewerb, der als dritterfolgreichste Mannschaft trotzdem immerhin 19 Mal nach Madrid geholt werden konnte, bestätigen diesen Eindruck nur umso mehr.
Die Verhältnismäßigkeit fehlt
Führt man sich erneut die fehlende Verhältnismäßigkeit zu Gemüte, die in Madrid an den Tag gelegt wird, wenn es darum geht, einzelne Wettbewerbe nach deren Relevanz zu beurteilen, erklärt dieser Umstand auch die Jahr für Jahr lustlosen Leistungen der Spieler, die sich in diesem Wettbewerb ja eigentlich für mehr Spielzeit anbieten sollen. Bestes wie aktuellstes Beispiel ist Eden Hazard, der gestern von Trainer Carlo Ancelotti seit langem Mal wieder das Vertrauen bekam, sich in diesem Spiel zu zeigen. Gegen einen Drittligisten eine günstige Chance, sollte man meinen, doch der einstige belgische Weltstar zeigte wie viele seiner Teamkollegen eine Leistung, die nicht mal mehr mit der Floskel „stets bemüht“ zu beschreiben war. Und genau das ist möglicherweiser einer, wenn nicht der zentrale Schlüssel für das miserable Pokalabschneiden Jahr für Jahr: Die Haltung der Verantwortlichen geht auf die Spieler über, die ihrerseits nicht mal mehr ein Alibi für lustlose Tricksereien gegen einen Viertligisten brauchen und sich obendrein fast erneut blamiert hätten.
Abschneiden im Vergleich zu anderen europäischen Topmannschaften im Pokal miserabel
Blickt man mal auf die internationale Konkurrenz, gegen die man Jahr für Jahr in der Champions League antritt, offenbart sich in den Pokalwettbewerben ein mehr als nur eindeutiges Bild. Beispielsweise der FC Bayern, als Bundesliga Rekordmeister gewissermaßen das deutsche Gegenstück zu Real, gewann den nationalen Pokal in den letzten acht Jahren ganze vier Mal. Während in Frankreich Paris St. Germain seitdem in acht Versuchen gar sechs Mal den Pokal gewann, schwang sich in Italien Juventus Turin im gleichen Zeitraum insgesamt fünf Mal zum Sieger auf. Einzig im englischen FA Cup ist das Bild anders, in sofern man denn Manchester City als englisches Pendant zu Real Madrid ansehen möchte. Die Cityzens gewannen den Pokal in den letzten sieben Spielzeiten ebenfalls nur ein Mal. Alle genannten Sieger im Zeitraum von 2014 (letzter Pokalsieg von Real Madrid) bis 2022 zeichnen ein deutliches Bild, dass für die Blancos in diesem Kontext recht düster erscheint. Denn auch wenn man die hinlänglich bekannte Affinität zur „Traumfrau“ Champions League in vollen Zügen auslebt, sollte der spanische Pokal nicht zum hässlichen Entlein verkommen, auch wenn man seine Zeit lieber in europäischen Metropolen wie München, London oder Paris verbringt als in Alcoyano, Vigo oder Leganes (es handelt sich hierbei ironischerweise um einen Vorort von Madrid).
Es wird sich nichts ändern bei Real
Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass selbst wenn sich jeder Verantwortliche höchst selbst die in diesem Artikel zur Sprache gebrachten Punkte zu Herzen nehmen würde, bei den Königlichen trotz allem damit keinerlei Veränderung einhergehen würde. Die „Naturgesetze“, die für den Verein und seine Spieler gelten, stehen fest. Die Champions League ist und bleibt Jahr für Jahr das große Ziel. Sollte man sich dann in Madrid doch mal besinnen, einen anderen Wettbewerb ernst zu nehmen, wird sich der Blick auf LaLiga richten, aber auch hier ist man ja schon Rekordsieger. Dann hinzugehen und seine Ersatzspieler dafür zu instrumentalisieren, die zu vielen Teilen nicht wichtig genug sind, um die ganz großen Spiele zu bestreiten, einen unbedeutenden spanischen Pokal zu gewinnen, ist nicht weniger als ein nahezu unmögliches Unterfangen. Das ist ungefähr so, als wolle man es einem Apple User schmackhaft machen, sich als nächstes Handy ein Samsung Modell zuzulegen. Auch deshalb, weil man im Verein analog zum vorangegangenen Beispiel eher auf die Qualität denn auf die Quantität (der Titel) blickt, wird bei Real alles so bleiben wie es ist. Auch wenn das heißt, weitere sieben Spielzeiten auf einen Pokaltriumph warten zu müssen.