25. Mai 2013: Wir erinnern uns alle zurück an das rein deutsche Champions League Finale in Londons Wembley Stadium. Es war der Höhepunkt einer beeindruckenden Bundesliga Dominanz im internationalen Geschäft. Drei der letzten vier Endspiele in der UEFA Champions League mit deutscher Beteiligung, insgesamt vier deutsche Finalisten in vier Jahren. In diesem Finale hatte Triplesieger Bayern München im rein Bundesliga geprägten Endspiel gegen den amtierenden Meister aus Dortmund nach einem Jahr des Misserfolgs (Stichwort „Finale dahoam“) mal eben allen bewiesen, wer Europas König ist. Auch in den Wochen danach kannte die Euphorie im ganzen Land keine Grenzen. Erfolgstrainer Jupp Heynckes ging auf dem Höhepunkt und mit Pep Guardiola kam der wohl vielversprechendste Trainer der Welt nach München. Ganz Europa wurde in Angst und Schrecken versetzt, denn mit Jürgen Klopp auf der anderen Seite besaß der BVB nicht nur eine überragende Mannschaft, sondern auch den Shootingstar unter den Trainern. Für lange Zeit galt die Bundesliga als DAS Aushängeschild und mit der englischen Premier League als die stärkste Liga der Welt. Ein Jahr später wurde die Nationalmannschaft in Brasilien dann auch noch Weltmeister, voll mit bayrischen Triplesiegern und Dortmunder Ausnahmespielern. Die Zukunft des deutschen Fußballs schien rosig. Allerdings kam danach wie so oft alles anders. Denn nicht nur in der Amtszeit Guardiolas, die die Bundesliga noch einmal auf ein neues Level heben sollte, kam von deutschen Teams international seitdem wenig. Die Bayern gewannen außer dem UEFA Supercup im ersten Jahr unter Pep in dessen dreijähriger Amtszeit keinen europäischen Titel mehr. Das katalanische Mastermind verabschiedete sich schließlich 2016 in Richtung Man City und auch danach wurde mit Ausnahme der außergewöhnlichen Triple Saison 2020 mit einem Playoff Turnier in Lissabon von keinem Bundesligisten in der Champions League mehr etwas gerissen. Die Liga verkam im internationalen Geschäft mehr und mehr zu einer grauen Maus. Einzig Eintracht Frankfurt war in den letzten Jahren in der Europa League mit einer Halbfinalteilnahme (2019) und dem Sieg im gleichen Wettbewerb in der vergangenen Saison eine der wenigen positiven Überraschungen, die die Fahne des deutschen Fußballs hochgehalten hat und mehr als zurecht dafür gewürdigt wurde. Nicht nur deren außergewöhnliche Fans, sondern auch die Emotionalität und Hingabe jedes Einzelnen machten diese Mannschaft zu einem mehr als angemessenen Vertreter der Bundesliga. Doch mannschaftliche Erfolge in Europas Klubwettbewerben abgesehen von den angesprochenen Beispielen in den vergangenen ca. 10 Jahren? Error. Jahr um Jahr scheiterten Clubs wie der BVB, Bayer Leverkusen oder Leipzig bereits in der Vorrunde oder mussten gegen Teams aus Portugal oder der Schweiz (man munkelt, Jordan Siebatcheu freut sich schon auf das Wiedersehen mit Bayer Leverkusen) früh in der KO Phase ihren Hut nehmen.
Bei allem Respekt vor Sporting Lissabon oder den Young Boys aus Bern: Nicht umsonst ist das ständige Versagen der Bundesligisten in Europa seit Jahren eine reine Chronologie des Scheiterns. Eine Entwicklung, die seit dem angesprochenen Triplegewinn der Bayern 2013 und zwei deutschen Finalteilnehmern schleichend ihren Lauf nahm und im Folgenden analysiert werden soll. Gründe gibt des viele: Finanzielle als auch sportliche. Genügsamkeit als auch in gewisser Maßen verschobene Prioritäten tragen dazu bei, das die Bundesliga längst nicht mehr die Nummer 2 in Europa ist, sondern sich neben der spanischen Primera División mittlerweile in der öffentlichen Wahrnehmung auch hinter der italienischen Serie A einordnen muss. Ja das ist diese Liga, die jahrelang als defensive, als bis zur Perfektion hin catenaccio praktizierende Liga verschmäht wurde. Auch von dieser wurde die Fußball Bundesliga inzwischen überholt. Das die Bundesliga es erst kürzlich schaffte, die Serie A in der UEFA 5-Jahreswertung wieder zu überholen, ändert das Gesamtbild nur auf einer oberflächlichen Ebene.
Leistungsgefälle in der Spitze zwischen EPL, LaLiga und dem Rest
Wie auch in der Bundesliga ist der FC Bayern im bedeutendsten Club Wettbewerb allen anderen Mannschaften aus der eigenen Liga weit voraus. Zur Einordnung: Letzte Saison scheiterte man am FC Villareal, dem Tabellen 7. der spanischen Liga, bereits im Viertelfinale. Und trotzdem war man der Verein, der am weitesten kam. Doch woran liegt das? Gründe gibt es wie bereits angesprochen viele. Starten wir also gleich mit dem offensichtlichsten: Um in Europa geschlossen Erfolg zu haben, und mehrere Teams regelmäßig mindestens bis ins Viertel- oder Halbfinale zu bringen, fehlt das Niveau. im nationalen Bereich, als auch im internationalen Vergleich, analog zum Leistungsgefälle in der Bundesliga zwischen dem Dauermeister und dem Rest. Zu groß ist die Diskrepanz zwischen der mannschaftlichen Qualität auf taktischem und spielerischem Niveau, als auch auf der finanziellen Seite vor allem gegenüber der englischen Premier League. Die Spanier verfügen nicht ansatzweise über derartige Mittel, punkten eher mit taktischem Geschick und anderen Attributen wie Leidensfähigkeit, Begeisterung oder Wille. Genau das was hierzulande eben fehlt. Scheidet der FC Bayern also gegen den FC Villareal aus, liegt das eher an spielerischem bzw. taktischem Unvermögen. Wie bereits angesprochen, kam es in den letzten Jahren international eben auch deshalb nur vereinzelt zu positiven Überraschungen in allen internationalen Wettbewerben. Beispielsweise durch Eintracht Frankfurt in der UEFA Europa League.
Sportliche Attraktivität
Geht man tiefer in die Analyse, kommt man schnell zum direkten Liga-Vergleich. Schaut man auf die reinen Zahlen, so gilt überraschenderweise die italienische Serie A als die torreichste Liga des europäischen Spitzenfußballs. Überraschend ist das allerdings nur auf den ersten Blick, denn die Italiener setzten in den letzten Jahren vieles daran, einen neuen Spielstil zu implementieren und die heimische Liga durch kluge Transfers wieder konkurrenzfähig zu machen, mit Erfolg. Direkt hinter dem italienischen Calcio befindet sich in Sachen Tore die englische Premier League. Anschließend kommen erst die Bundesliga und die französische Ligue 1. Das Schlusslicht bildet die spanische Primera División (Quelle: Transfermarkt). Letztere lässt allerdings den Schluss zu, dass man sich das aufgrund anders gesetzter Prioritäten definitiv erlauben kann und im europäischen Vergleich wie oben bereits erwähnt eher durch seine Effizienz und taktisches Geschick denn durch wilde Torpartys glänzt. Zu gut war das Abschneiden der Spanier in den letzten 10 Jahren, zu konstant die Anzahl der Vertreter auch in den allerletzten Schlussrunden. Allein Seriensieger Real Madrid gewann die UCL in den vergangenen elf Jahren ganze fünf Mal, dazu zwei Mal der FC Barcelona. Ergibt sieben Titel spanischer Teams in etwas mehr als einer Dekade Champions League Fußball. Zudem gab es zwei Mal ein rein spanisches Finale zwischen den Madrider Stadtklubs Real und Atlético (2014 und 2016). Beständig fanden sich in den letzten Jahren oft mindestens zwei spanische Teams im Halbfinale wieder. Und wenn mal nicht Atletico oder Barca, dann eben der FC Villareal, der vorher die Bayern eliminierte. Auch die Premier League, die im Durchschnitt mehr Tore als seine spanischen Konkurrenten und auch mehr als die Fußball Bundesliga erzielt, ist aufgrund ihrer allgemein anerkannten Klasse sowie unerschöpflicher finanzieller Ressourcen über die meisten Zweifel erhaben. Zu gut war auch das internationale Abschneiden der letzten Jahre, ähnlich wie das der Spanier, als das man sie als die wohl beste Liga der Welt in diese Diskussion miteinbeziehen müsste. Bleibt noch die Bundesliga, die in puncto Attraktivität und Tore mittlerweile nur noch im unteren Mittelfeld liegt. Klar ist der Blick auf die reinen Zahlen wie die erzielten Tore nicht immer die ganze Wahrheit und bildet schon gar nicht das spielerische Niveau einer kompletten Liga ab, sorgt aber doch irgendwo für gewisse Aufschlüsse in diese Richtung. Denn die meisten Fußballfans interessieren sich vor allem für die Highlights und das sind meistens Tore, welche zu glorreichen Siegen führen. Auch und vor allem in Europa.
Finanzkraft
Etwas losgelöst von der Thematik der Attraktivität, die sich ebenso auf die Konkurrenzfähigkeit stützt, hat die Bundesliga in einem Punkt gegenüber der EPL und LaLiga ein weiteres zentrales Problem: Die massiven finanziellen Nachteile in Sachen TV-Gelder und Sponsorenbeteiligung (Stichwort 50+1). Wie in der nationalen Analyse zur Situation innerhalb der Bundesliga bereits erwähnt, hat sich vor allem die englische Premier League durch einen beispiellosen TV-Vertrag einen Vorteil verschafft, der sie dazu befähigt, nahezu jedem Verein jeder Liga jeden Spieler streitig machen zu können. Zum Vergleich: In England erhält der Tabellenletzte mehr Geld aus Vermarktungserlösen, als der deutsche Rekordmeister Bayern München (Quelle: SportBild). Über einen direkten Vergleich der Spitzenteams brauchen wir also gar nicht erst reden. In Spanien sind die Erlöse aus TV Rechten ab dieser Saison um mehr als 200 Mio. € gesunken, was die Bundesliga auf weite Sicht vielleicht wieder ein Stück weit heranbringen wird. Dennoch bleibt abgesehen davon ein weiteres Problem, nämlich die Einflussnahme der Sponsoren als weiteres Finanzierungsmodell, das in Deutschland durch die 50+1 Regel begrenzt ist. Dadurch soll verhindert werden, dass Konzerne sich einen Verein unter den Nagel reißen und diesen für ihre Zwecke missbrauchen. Ausnahmen gibt es beispielsweise in Leverkusen oder Wolfsburg, allerdings nur, wenn die Sponsoren wie Bayer oder VW eine gewisse Anzahl von Jahren ein gleichbleibendes Engagement nachweisen. Ansonsten ist die Beteiligung von externen Geldgebern an Vereinen in Deutschland mit mehr als 50 % unmöglich. In anderen europäischen Ligen durch Investoren und andere Anteilseigner leider ein gängiges Modell, um ganze Vereine in die Hand eines Landes zu bringen, beispielsweise Vereine wie Manchester City oder Paris St. Germain. Auch dieser Punkt zeigt also auf, weshalb die Bundesliga zumindest schon mal auf finanzieller Ebene keine Konkurrenz für die Spitzenteams des europäischen Fußballs darstellt. Da kann der FC Bayern noch so gut wirtschaften, Geld wird es in den Emiraten, Saudi-Arabien, Katar oder sonst wo immer mehr geben.
Wie kann die Konkurrenzfähigkeit wieder hergestellt werden?
Vor allem unter Berücksichtigung der genannten Punkte, die die Dominanz der spanischen und englischen Teams schlüssig erklären, wird es für die Bundesliga schwer mitzuhalten. Den europäischen Titel zu gewinnen ist als stärkste deutsche Kraft in den nächsten Jahren ohnehin nur dem FC Bayern zuzutrauen. Im Grunde gilt es von dieser Seite nur, seinen Job weiter zu machen und Gelder aus weiteren Finanzierungsquellen zu erschließen. Denn der FC Bayern ist von seinen Strukturen und dem Spielermaterial nicht unendlich weit weg von Real Madrid oder Manchester City. Hört sich bei den vorher ausgeführten Punkten paradox an, da es dem genannten entgegensteht, ist allerdings bei näherer Betrachtung eine schlüssige Aussage. Man kommt als Verein in tausend Jahren finanziell nicht gegen ein Manchester City an, kann sich aber durch kluge Personalentscheidungen, frühzeitiges Scouting und eine ausgefeilte Taktik einen Vorsprung verschaffen, der innerhalb einer Saison zum großen Wurf reichen kann. So geschehen 2020, wenn auch unter besonderen Umständen. Für die Bundesliga im Allgemeinen gilt es eher, in der Breite für mehr Konkurrenzfähigkeit zu sorgen. Vor allem der BVB ist eine Mannschaft, die bereits über viele Spieler mit Erfahrung in diesem Wettbewerb verfügt. Man muss besonders deshalb dafür sorgen, dass die Champions League als zusätzlicher Anreiz erachtet wird, um die Bundesliga zu repräsentieren und den Verein selbst zum Erfolg zu führen. Anders als durch emotionale Aspekte und viel Willenskraft wird man international nicht konkurrenzfähig sein und muss daher wie bereits angesprochen kreativ werden. Höchstens eine aus dem nichts kommende Dortmunder Jahrhundertmannschaft mit Talenten von einem anderen Stern könnte die englisch-spanische Dominanz gemeinsam mit dem FC Bayern sofort durchbrechen. Gleiches gilt für Mannschaften wie Leipzig oder Leverkusen. Ein düsteres Bild, das die Bundesligisten nur Stück für Stück wieder werden mit Farbe füllen können, indem durch Beständigkeit und harte Arbeit auf allen Ebenen Lösungen gefunden werden, die die Bundesliga näher heranbringt an die schier übermächtige Konkurrenz.