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Wenn ein ganzer Verein seit über einem Jahrzehnt die Besessenheit in sich trägt, endlich die Jagd nach dem Henkelpott zu krönen, heißt er entweder Real Madrid oder ist ein lächerliches Scheichkonstrukt, das in Europa seit Jahren vergeblich um Ruhm und Anerkennung ringt. Seit der Investorenübernahme im Jahre 2011 scheut Paris St. Germain dabei weder Kosten noch Mühen und doch blieb ihnen der große Wurf bisher stets verwehrt. Immer wieder pulverisierte der Verein Transferrekorde und versuchte mit aller Macht Einfluss auf die Geschicke im europäischen Fußball zu nehmen. Doch auch im Jahr 2023 ist man längst noch nicht da, wo man dem eigenen Selbstverständnis nach hingehört. Zwangsläufig stellt sich die Frage nach dem Warum und ist heute Anlass genug dafür, sich näher mit den massiven Verfehlungen dieses so hochtrabenden Projekts zu beschäftigen. Warum ist dieses Konstrukt ein so fragiles Gebilde, weshalb tanzen Spieler dem Verein immer wieder auf der Nase herum und wieso ist Paris St. Germain der breiten Masse eigentlich so gänzlich unsympathisch?
Eine Chronologie des Scheiterns
Seit nunmehr 12 Jahren befindet sich der einst so stolze Traditionsclub also schon im Besitz der „Qatar Sports Investment Group“. Die Bilanz seitdem? Ernüchternd. In der Liga konnte der Verein seit seiner Übernahme neun Meistertitel gewinnen, der Erfolg in nationalen Gefilden ist allerdings grundsätzlich eher Voraussetzung denn Errungenschaft. Vielmehr ist der Misserfolg ein vielbeachtetes Phänomen, wenn man die Trophäen in Liga oder Pokal einmal nicht einheimsen sollte. So zuletzt geschehen im Jahr 2021, als die OSC Lille sich sensationell zum Meister krönte. Auch die Pokalwettbewerbe gewann PSG mit wenigen Ausnahmen, die in den Folgejahren eher die Regel bestätigen, relativ zuverlässig. Die große Obsession für den Verein von der Seine hört seit jeher auf den Namen „UEFA Champions League“. Allerdings stellte sich die Besessenheit von dieser Trophäe in den vergangenen Spielzeiten immer mehr als Kryptonit für den Verein heraus und sorgt zunehmend für Frustrationen innerhalb des Clubs. Lediglich einmal erreichte PSG das Finale 2020 in Lissabon, unterlag dem FC Bayern aber denkbar knapp (0:1). Das Mittel der sportlichen Führung um Präsident Nasser Al-Khelaifi gegen das Scheitern lautet seitdem Jahr für Jahr das Zücken des prall gefüllten Geldbeutels. Egal ob es 222 Millionen für Neymar waren, 180 Millionen Euro für Kylian Mbappé oder bald weitere 100 Millionen Euro für SGE-Stürmer Randal Kolo Muani folgen, eine altbekannte Floskel, die seit jeher das Fußballgeschäft prägt, sollte sich auch in diesem Fall wieder einmal bewahrheiten: Geld schießt keine Tore (oder gewinnt zumindest keine bedeutenden Titel).
Einfluss ≠ Erfolg
Das schien auch der sturköpfige Abgesandte des Emirs von Katar, Nasser Al-Khelaifi, über die Jahre so langsam zu verstehen und versuchte durch sein Wirken in diversen Ämtern seinen Einflussbereich im europäischen Fußball massiv zu erhöhen. Unter anderem zog er 2019 als Mitglied ins renommierte UEFA Exekutivkomitee ein und konnte seitdem innerhalb der Institution enorm an Profil gewinnen. Er gilt als schlauer Geschäftsmann und verstand es durch medienwirksame Handlungen seine Position innerhalb des europäischen Dachverbandes immer weiter zu stärken. So lehnte der 49-Jährige als einer der prominentesten Widersacher 2021 die aufsehenerregenden Super League Pläne von Real Madrid und Co. ab und inszenierte sich als scheinheiliger Retter des europäischen Fußballs und seinen Werten. Nüchtern betrachtet ein einfach zu durchschauender PR-Move, der lediglich dazu diente, der außer sich vor Wut schäumenden UEFA nach dem Mund zu reden. Die Süddeutsche Zeitung bezeichnete Al-Khelaifi in einem lesenswerten Artikel vor Jahren bereits sehr treffend als „Fuchs im Hühnerstall, der im Konzert der Großen wirkt, wie ein missratener Scherz“. Treffender lässt sich sein Wirken auch vier Jahre später und die Bestätigung einer weiteren Amtszeit im besagten Komitee nicht beschreiben. Durch seine zweifelhaften Motive und lächerliche Doppelmoral bezogen auf Werte und Ethiken, die man in seinem Heimatland im Vergleich zum europäischen Raum mit Füßen tritt, ist dieser Mann ein Clown, der sich auch ohne sein Make-Up mittlerweile wohl alles erlauben darf.
Wer hoch fliegt fällt tief
So holte der CEO von Paris St. Germain nicht nur auf ominöse Weise das CL-Finale 2022 in seine „Heimatstadt“ sondern erlaubte sich im Frühjahr selbigen Jahres auch noch Verfehlungen wie das versuchte Stürmen einer Schiedsrichterkabine im Anschluss an das dramatische Ausscheiden gegen Real Madrid (1:0;1:3). Obwohl Schiedsrichter Danny Makkelie den Vorfall im Spielbericht dokumentierte, erhielt der Aggressor keinerlei Strafe, sondern lediglich einen liebkosenden Klaps auf den Hinterkopf. Dass Worte wie „Ich werde dich töten“ fielen, verbuchten die Entscheidungsträger dabei wohl ebenso als Witz wie Nasser Al-Khelaifi selbst einer ist. Dass er es dann im Frühjahr 2022 auch noch schaffte, Superstar Kylian Mbappé entgegen aller Widerstände zu einer Vertragsverlängerung zu bewegen, steigerte seinen Größenwahn wohl endgültig ins Unermessliche. Er hatte der Fußballwelt gegenüber erneut seine Macht demonstriert und Erzrivale Real Madrid ein weiteres Mal in die Schranken gewiesen. Sonnen in seinem Ruhm konnte sich der selbstgefällige CEO allerdings nur etwa 12 Monate, denn im Juni 2023 gab Vorzeigesuperstar Mbappé nicht nur bekannt, seinen Vertrag über 2024 hinaus nicht zu verlängern, sondern auch, den Verein ablösefrei verlassen zu wollen. Ein heftiger Schlag ins Gesicht für die Organisation und Al-Khelaifi selbst.
Fall Mbappé
Als Identifikationsfigur und treuer Pariser war Mbappé vor ca. einem Jahr im Club noch gefeiert und verehrt worden. Ein Jahr später will der französische Weltmeister von einer langfristigen Zukunft in Paris nichts mehr wissen, den Verein viel mehr am liebsten sofort verlassen. Doch bevor er das tut, führt er seine Vorgesetzten erst noch am Nasenring durch die Öffentlichkeit und melkt sie finanziell wie eine Kuh, ob der Zugeständnisse, die ihm der Club 2022 beispielsweise in Form eines 80 Millionen Euro schweren Treuebonus machte. Dass es ihn im Anschluss daran ausgerechnet zum verhassten Real Madrid ziehen soll, erhitzte die Gemüter im Zirkus Paris derart, dass man eine Klage bei der FIFA einreichte, um die Königlichen rechtlich zu belangen. Beweisen konnte man natürlich nichts, schließt Mbappé so seit knapp zwei Wochen von der eigenen PR-Tournee aus und lässt ihn nach dem Hoffenheimer Vorbild in einer Art Trainingsgruppe 2 agieren. Der einstige Hoffnungsträger aus dem Pariser Vorort Bondy ist längst zum Enfant terrible verkommen und beschert Al-Khelaifi und Co. nichts mehr als Spott und Häme. Das öffentliche Deadlines und Drohungen bei ihrem Spieler absolut ins Leere laufen und er stattdessen freudestrahlend mit Fans für Fotos posiert, wird dem Verein noch mehr zur Weißglut treiben.
Vorbild Manchester City
In Paris geschehen einfach seit geraumer Zeit zu viele Fehler, die sich in abgewandelter Form immer zu wiederholen scheinen, weshalb sich der sportliche Erfolg an der Seine auch weiterhin nicht einstellen wird. Hat der Club einen passenden Coach für sein Projekt gefunden, entlässt man ihn, damit er sechs Monate später mit einer anderen Mannschaft Champions League Sieger werden kann. Auch Spieler, die man für teures Geld einkauft und für mehr Prestige von anderen Vereinen abwirbt, funktionieren nicht, da sie zu großen Teilen aufgrund monetärer Gründe nach Paris wechseln und einer Truppe von Söldnern gleichen, denen das sportliche Schicksal PSGs völlig gleich zu sein scheint. Schaut man sich unter Gleichgesinnten um, die ähnliche Projekte realisiert haben, sollte man mal nach England blicken und sich ein Beispiel an Manchester City nehmen, die aufgrund einer überragenden sportlichen Strategie sowie eines Coachs, für den seine Spieler brennen, Jahr für Jahr unglaubliche Erfolge einheimsen. Anstatt sich an den Strukturen Citys zu orientieren, holt man sich halt lieber Jahr für Jahr bekannte Egozentriker wie Luis Enrique oder Christophe Galtier ins Haus, die schon nach wenigen Wochen drohen, den Verein aufgrund der katastrophalen Umstände wieder zu verlassen. Paris St. Germain ist ein lächerliches Konstrukt und die unerschöpfliche Quelle der Schadenfreude für alle, die es mit den traditionellen Werten des Fußballs halten. Oder eben mit Real Madrid.