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Der VAR gerät immer mehr ins Zentrum der Kritik. Die klare Botschaft lautet: In dieser Form ist er nicht mehr tragbar.
Der Videobeweis sollte in der Bundesliga und auf internationaler Ebene nicht länger bloß reformiert, sondern grundlegend infrage gestellt werden. Ursprünglich eingeführt, um klare Fehlentscheidungen zu korrigieren und Gerechtigkeit zu fördern, erweist sich ein Tool, das den Fußball einst gerechter machen sollte, zunehmend als eklatante Schwachstelle des Systems.
Der Videoassistent schafft eine immer inkonsistentere Interpretation statt eindeutige Regeln und verlagert Entscheidungen aus dem unmittelbaren Blick des Schiedsrichters auf die wahren Protagonisten: Die Videoschiedsrichter. Die stetig wachsende Kritik kommt längst nicht mehr von ungefähr.
Der VAR nimmt Verantwortung
Ein zentraler Einwand: Die Inkonstanz der Entscheidungen. Zahlreiche Partien zeigen, dass ähnliche Bilder zu unterschiedlichen Urteilen führen. Je nachdem, welche Perspektive, welcher Zeitlupenwinkel oder welche subjektive Einschätzung gerade herangezogen wird. Diese Vielfalt an Auslegungen konterkariert ein Bild, das der VAR ursprünglich schaffen sollte. Wenn Fans, Trainer und Spieler nicht mehr wissen, woran sie sind, hat das System seinen Zweck schlichtweg nicht erfüllt.
Die praktischen Auswirkungen sind ebenfalls gravierend. Der VAR unterbricht den Spielfluss, dehnt Spiele zeitlich und verändert regelmäßig die Dynamik auf dem Platz. Zudem steigt die emotionale Belastung bei Spielern und Trainern, weil Entscheidungen nicht mehr endgültig auf dem Feld fallen, sondern in langen Prüfungen „nachentschieden“ werden. In einem Zuschauersport, dessen Attraktivität stark vom Flow lebt, ist das ein echter Verlust.
Trainer kontra VAR
Ein weiterer Kritikpunkt ist die psychologische Wirkung auf die Schiedsrichter vor Ort. Wenn Linien- und Hauptschiedsrichter wissen, dass ein „großer Bruder“ im Hintergrund korrigieren kann, verlagert sich ihre Rolle von aktiven Entscheidern zu potenziellen Beobachtern. Das nimmt Verantwortung! Diese Verlagerung wurde zuletzt auch von Trainern thematisiert, die den Eindruck schildern, der VAR übernehme die Rolle des Entscheidungsführers.
Das jüngste Rhein-Derby Gladbach gegen Köln illustriert viele dieser Probleme: Nach einem intensiven Spiel stand nicht nur das Ergebnis, sondern vor allem die Rolle des VAR im Mittelpunkt der Debatte. Köln-Trainer Lukas Kwasniok brachte es auf den Punkt: „Ich hasse den VAR.“ Gladbach-Coach Eugen Polanski pflichtete ihm auf der Pressekonferenz bei und sagte, er sei „kein Freund vom VAR“ und sehe, dass dessen Einfluss die Leistung der Schiedsrichter verändere. Diese klaren Worte von unmittelbar Beteiligten zeigen, wie tief die Frustration längt sitzt.
Vor diesem Hintergrund erscheint die Abschaffung des VAR als ernsthafte Option: Nicht aus Protest gegen Technologie an sich, sondern weil die derzeitige Anwendung dem Sport mehr schadet als nützt. Alternative Ansätze, etwa klarere, simpler definierte Regelungen für kritische Spielsituationen, bessere Schiedsrichterausbildung vor Ort, gezielte Nachbearbeitung von klaren Fehlentscheidungen ohne permanente Eingriffe in laufende Spiele könnten viele der aktuellen Probleme lösen, ohne das Spielgefüge zu zerstören.
Kurz: Wer Fairness, Spielrhythmus und Vertrauen zurückgewinnen will, muss offen für radikale Optionen sein. Der VAR hat seit seiner Einführung im Jahr 2017 Erwartungen geweckt, die er vielfach nicht erfüllt. Eine Abschaffung würde nicht das Ende der Sorgfalt im Schiedsrichterwesen bedeuten, sondern die Chance, wieder stärker auf klare Regeln, menschliche Verantwortung und die Unmittelbarkeit des Spiels zu setzen.
