Die heißeste Aktie des italienischen Fußballs

Thiago Motta – https://creativecommons.org/licenses/by/2.0/ Foto: Ben Sutherland

Lesezeit: 7 Minuten

In der Serie A wirbelt Thiago Motta mit dem FC Bologna die Liga auf. Sein Team steht für dominanten Ballbesitzfußball, der mit bescheidenden Mitteln umgesetzt wird. Wir schauen heute auf einen weiteren Coach, der für eine verheißungsvolle Karriere die optimalen Voraussetzungen besitzt.

Neue Trainergeneration sorgt für Furore

Eine erfolgreiche Karriere als Spieler bedeutet automatisch eine ebenso erfolgsversprechende als Trainer? Das dem nicht so ist, bewiesen in den letzten Jahren immer wieder diverse Negativbeispiele wie Lothar Matthäus, Stefan Effenberg oder auch Diego Maradona. Doch wo es die Gescheiterten gibt, finden wir auch die, die das Klischee vom nahtlosen Übergang ins Trainergeschäft eben bedienen. Neben prominenten Beispielen wie Pep Guardiola oder Zinediné Zidane, gilt das auch für die aufstrebende neue Trainergeneration rund um Rúben Amorim (Porträt hier) oder Bolognas Thiago Motta.

In der Emilia-Romagna entsteht unter ebenjenem Motta mithilfe eines starken Kollektivs ein Projekt, dass trotz bescheidender Mittel im Vergleich zur Konkurrenz mit dem Einzug in die UEFA Champions League kurz vor dem größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte steht. Die Rossoblu rund um Ex-Bundesligaprofis wie Stefan Posch (Hoffenheim) oder Joshua Zirkzee (FC Bayern) sorgen in der Serie A für ordentlich Furore, sind aufgrund ihrer unglaublichen Konstanz trotz des achtkleinsten Etats der Liga in Rekordtempo an arrivierten Teams wie dem Vorjahresmeister aus Neapel oder den beiden Römer Clubs vorbeigezogen.

„In Bologna entsteht unter Motta mithilfe eines starken Kollektivs ein Projekt, dass trotz bescheidender Mittel im Vergleich zur Konkurrenz mit dem Einzug in die UEFA Champions League kurz vor dem größten Erfolg der jüngeren Vereinsgeschichte steht.“

Bahnbrechende Taktik-Revolution?

Ähnlich wie Amorim setzt Motta im Umgang mit seinen Schützlingen sowie in seiner taktischen Herangehensweise auf einen hochmodernen Ansatz. In seinen Anfängen als U-19 Coach von Paris St. Germain lies der heute 41-Jährige einst mit komplett neuen Ansichten bezüglich eines realen Spielsystems aufhorchen. So bezeichnete er die taktische Grundordnung seines Teams im 4-3-3 als verkapptes 2-7-2 System, das er später als vertikale Ansicht ausführte und in diesem Kontext auch den mitspielenden Torhüter als Feldspieler angab.

Galt er bei seiner ersten Profistation in Genua als schnell gescheitert, rettete er Spezia Calcio trotz andauernder Transfersperre vor dem Abstieg und machte so den FC Bologna auf sich aufmerksam. So wurde er im Spätsommer als Nachfolger des an Krebs verstorbenen Siniša Mihajlović verpflichtet und sollte seine taktisch kontroversen Einwürfe von nun an in Norditalien salonfähig machen. Die Besonderheit in Mottas Art, Fußball zu interpretieren, liegt in seiner Vorgabe, das Spiel stets variabel zu denken.

Seine Schützlinge agieren in keiner festen Formation, denken in verschiedenen Rollen und sollen während einer Partie situativ selbst entscheiden, in welcher Zone des Spielfeldes sie sich bewegen sollen. Trotzdem liegt Mottas Anforderung in einem hohen Ballbesitzanteil und modernstem Gegenpressing, dass er bei missglückter Balleroberung in Sekundenbruchteilen aufzulösen verlangt, um den Rückzug anzuordnen. Doch trotz seines unbestrittenen Einflusses auf den Erfolg, will Motta keinerlei Lob für die Entwicklung des kleinen Bolognas annehmen.

„Die Besonderheit in Mottas Art, Fußball zu interpretieren, liegt in seiner Vorgabe, das Spiel stets variabel zu denken.“

Einer wie Cruyff?

In seiner progressiven Art, Fußball neu zu denken und die Grundsätze des Vorhandenen zu hinterfragen, erinnert Motta auch in seiner Rhetorik oft an Ajax-Legende Johan Cruyff. Mit Sätzen wie „Das Schwierigste, was man tun kann, ist, einfachen Fußball zu spielen“, wirkt der ehemalige italienische Nationalspieler wie ein alter Hase, der während seiner Ausbildung stets an den Lippen des niederländischen Revolutionärs hing.

Denn auch die Abneigung gegen das Vorhandene ist Etwas, das den Bologna-Coach in seinen Ansichten mit der inzwischen verstorbenen Legende aus den Niederlanden vereint. Auch der ehemalige Coach des FC Barcelona war einst ein Freigeist, der die ursprünglichen Grenzen des Fußballuniversums sprengte und mit seinen Teams auf nie dagewesene Art und Weise zum Erfolg führte.

„In seiner progressiven Art, Fußball neu zu denken und die Grundsätze des Vorhandenen zu hinterfragen, erinnert Motta auch in seiner Rhetorik oft an Ajax-Legende Johan Cruyff.“

Steiniger Weg nach oben

Das angesprochene Narrativ vom erfolgreichen Spieler zum erfolgreichen Coach ist also Etwas, das in diesem Kontext gesondert betrachtet werden muss. Ja, Mottas Aufstieg mutet trotz kleinerer Rückschläge rasant und erfolgreich an, ist aber mit viel Aufwand und mentaler Aufbauarbeit verbunden. Denn seltenst kommt der Erfolg über Nacht, weder bei einem Coach noch bei seinen Spielern. Immer wieder berichten auch ehemalige Schützlinge von täglichem Lernen und Basistugenden wie Demut oder Aufopferungsbereitschaft.

Motta, der in seiner Art zu denken, eine Mannschaft hinter sich vereinen kann, wirkt wie eine Persönlichkeit, dem die Türen zu den ganz großen Vereinen in Europa sperrangelweit offen stehen. Denn auch der Einzug in die Champions League wird für den ehrgeizigen Ex-Spieler sicher nicht die Grenze sein, um die Entwicklung eines Mannes weiter voranzutreiben, der stets nach dem Unerreichten strebt.

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