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Wenn am heutigen Dienstag der FC Bayern und Real Madrid das erste Mal seit 2018 wieder die Schwerter in der Königsklasse kreuzen, handelt es sich historisch gesehen um ein ausgeglichenes Duell, dessen Vorzeichen im Jahr 2024 dennoch unterschiedlicher nicht sein könnten: Während in München konstant der Baum brennt, kommen die Königlichen mit breiter Brust in die bayrische Landeshauptstadt und schicken sich an, erneut ins Finale der UEFA Champions League einzuziehen. Wir beleuchten das Duell heute allerdings aus komplett neuen Blickwinkeln und zeigen auf, wie ausgeglichen sich dieses Kräftemessen in Wirklichkeit gestaltet.
Eine Frage der Perspektive
Die Sichtweisen, mit denen ein jeder auf dieses Spiel blicken kann, könnten vielfältiger gar nicht sein. Während sich das Fanlager aus München in einer Art Lauerstellung wähnt, als Wolf im Schafspelz sozusagen, der sich durch die eigene verkorkste Spielzeit selbst in seiner Spielweise zum Jäger erklärt, gilt Real Madrid als König dieses Wettbewerbs, der selbst ebenfalls nicht davor zurückschreckt, für den Erfolg mal den vielzitierten „Catenaccio“ zu bemühen. Denn auch der Adel bedient sich stets verschiedensten Stilmitteln, um die eigene Dominanz zu wahren. Somit treffen hier zwei absolut wandelbare Kollektive aufeinander, die auch laut der beiden Coaches in dieser Spielzeit keine feste sportliche Identität zu besitzen scheinen. Doch die Frage ist: Resultiert dies aus fehlenden sportlichen Mitteln oder der nötigen Cleverness, ein Spiel genau so zu gestalten, das es schlussendlich eben erfolgreich für den jeweiligen Verein ausgeht?
„Somit treffen hier zwei absolut wandelbare Kollektive aufeinander, die auch laut der beiden Coaches in dieser Spielzeit keine feste sportliche Identität zu besitzen scheinen.“
Attitüde ist alles
Wenn es in diesem so prestigeträchtigen Duell darum geht, welcher Verein für sich den Status beansprucht, der jeweils größte, beste und schönste zu sein, liefern sich der FC Bayern und Real Madrid definitiv ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Beide gelten in ihren jeweiligen Ligen stets als Nonplusultra, der jeweilige Rekordmeister, das Imperium, das zurückschlägt, wenn es von der nationalen Konkurrenz einmal zu viel genervt wird. Und genau diesen Status übertragen diese europäischen Schwergewichte dann selbstverständlicherweise auch in ein Kräftemessen wie dieses. Bayern München gegen Real Madrid – Das ist Welttorhüter Manuel Neuer, Weltmeister Thomas Müller oder Tormaschine Harry Kane gegen Passmaschine Toni Kroos, Weltfußballer Luka Modrić oder Golden Boy Jude Bellingham. Die Superlative, die dieses Duell seit jeher schrieb und schreibt, sind in einer kleinen Aufzählung wie dieser definitiv gar nicht genug zu würdigen.
„Beide gelten in ihren jeweiligen Ligen stets als Nonplusultra, der jeweilige Rekordmeister, das Imperium, das zurückschlägt, wenn es von der nationalen Konkurrenz einmal zu viel genervt wird.“
Wandelbare Identitäten
Fakt ist, der Erfolg gibt sowohl FCB-Coach Thomas Tuchel sowie Trainer-Routinier Carlo Ancelotti in dieser CL-Saison bis dato Recht. Während die Bayern sich im Viertelfinale gegen das hochfavorisierte Arsenal aus einer abwartenden und auf Konter ausgerichteten Spielweise durchsetzten, eliminierte Real Titelverteidiger Manchester City mithilfe einer leidenschaftlichen Abwehrschlacht. Sich nicht dafür zu schade zu sein, auch mal den eigenen Stolz über Bord zu werfen, stellt eine gewisse Chancengleichheit in diesem Duell her, das der Gast aus Madrid ja oberflächlich eigentlich zu dominieren scheint. Dass es eben genau dann doch immer wieder alles anders kommt, als es die Mehrheit im Vorhinein erwartet, bewiesen Ancelottis Mannen im bereits angesprochenen Duell mit Manchesters Titelhamstern ja vor zwei Wochen höchst selbst. Bernardo Silva bezeichnete die Königlichen in diesem Kontext nicht zuletzt als „komisches Team„.
„Sich nicht dafür zu schade zu sein, auch mal den eigenen Stolz über Bord zu werfen, stellt eine gewisse Chancengleichheit in diesem Duell her, dass der Gast aus Madrid ja oberflächlich eigentlich zu dominieren scheint.“
Alles nur Plattitüde?
Doch was wäre wenn die Form beider Teams, das komplett aus den Fugen geratene Umfeld des FC Bayern sowie der bevorstehende Komplettumbruch an der Isar in Wirklichkeit keinerlei Auswirkungen auf dieses Duell haben? Real Madrid gilt gemeinhin zwar als favorisiert in diesem Champions League Halbfinale, doch das war der FC Arsenal im Viertelfinale ebenso. Durch das Kontrastprogramm zum tristen Ligaalltag, in dem der deutsche Rekordmeister schon vor Wochen öffentlich kapitulierte, ist die Königsklasse für Trainer Tuchel und sein Team die letzte Möglichkeit, diese Saison noch irgendwie erfolgreich zu gestalten. Die Königlichen werden sich aufgrund ihrer Erfahrung sowie ihres nahezu perfektionierten Pragmatismus darüber im klaren sein und ihren Spielstil dementsprechend anpassen. Nicht umsonst prognostizierten Abwehrchef Antonio Rüdiger sowie Chefcoach Carlo Ancelotti vor dem Hinspiel in München ein Duell auf Augenhöhe.
„Durch das Kontrastprogramm zum tristen Ligaalltag, in dem der deutsche Rekordmeister schon vor Wochen öffentlich kapitulierte, ist die Königsklasse für Trainer Tuchel und sein Team die letzte Möglichkeit, diese Saison noch irgendwie erfolgreich zu gestalten.“
Ausgang ungewiss
Wie man merkt, hält dieses Duell viel mehr bereit, als einen strauchelnden FC Bayern, der sich mit oft merkwürdig zu agierend scheinenden Madrilenen misst. Beide Teams kämpfen um ihren Status als europäische Schwergewichte und streben dem eigenen Selbstverständnis nach auf kompletter Augenhöhe den Einzug ins Finale des Londoner Wembley Stadiums an. Übrigens als „heilige Kathedrale des Fußballs“ ein weiterer prestigeträchtiger Ort der Geschichte, an dem der europäische Adel dem eigenen Selbstverständnis nach einfach dabei sein muss. Wenn Bayern München am heutigen Dienstag Abend gegen Real Madrid antritt, ist Spannung in jedem Fall vorprogrammiert.