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Randal Kolo Muani ist nur das jüngste Beispiel einer Streikbewegung, die im Profifußball längst dramatische Züge angenommen hat. Immer wieder kam es in den vergangenen Jahren zu öffentlichen Verweigerungen und Provokationen seitens Spielern gegenüber ihren Arbeitgebern, wenn es darum ging, aus den unterschiedlichsten Gründen einen Wechsel zu einem anderen Club zu erzwingen. Die Summen werden immer höher, die Methoden skrupelloser und die Vereine immer machtloser, weil mit einem Wechsel längst weit mehr verbunden ist, als nur der bloße Abgang eines Leistungsträgers. Nicht zuletzt Eintracht Frankfurt erwies sich wieder mal als Leidtragender, zeigte aber durch die nötige Courage in diesem Poker ebenso auf, was in der Fußballwelt seit jeher als ungeschriebenes Gesetz gilt: Niemand ist größer als der Verein.
Kolo Muani nur die Spitze des Eisbergs
Noch in der vergangenen Saison präsentierte sich Randal Kolo Muani als stolzer Adlerträger und Gipfelstürmer, der die SGE in Lissabon als heroischer Protagonist in den Olymp der CL-K.o.-Runde schoss. Es war der vorläufige Höhepunkt des Hypes rund um seine Person einschließlich eines eigen für ihn komponierten Fangesangs. Rund zehn Monate später ist von diesem Status in Frankfurt längst nur noch die verblasste Erinnerung an jenen Tag im November präsent, Wut und Enttäuschung sind längst eingekehrt. Wie konnte dieser Spieler „seinem“ Verein nur so etwas antun? Die Antwort: Eine alarmierende Entwicklung im Profifußball, die auf dem schnellstmöglichen Weg zu Ruhm und Reichtum auch vor Romantik und Nostalgie am Main nicht halt macht. Erst begann Muani die Saison widerwillig in Frankfurt, machte dann seine Wechselabsichten samt öffentlichkeitswirksamem Trainingsstreik publik um schlussendlich nach tagelangem Hickhack kurz vor Toreschluss doch noch zu Paris St. Germain zu wechseln. Dass er in diesem Verein auf seine Nationalmannschaftskollegen Kylian Mbappé und Ousmane Dembélé trifft, der vom gleichen Berater betreut wird wie Kolo Muani, kann da ja nicht mehr als ein Zufall sein, oder?
Trendsetter Dembélé
Ebenjener Ousmane Dembélé setzte bei seinem Abgang vom BVB im Jahre 2017 mit einem eigens initiierten Streik einen gefährlichen Prozess in Gang, dessen Einfluss bis in die Gegenwart reicht. Mit seinem Wechselwunsch nach Barcelona konfrontiert zeigte sich der BVB, wie üblich im Geschäft, zunächst hart, um die eigene Verhandlungsposition nicht nachhaltig zu schwächen. Dembélé quittierte daraufhin den Dienst, was rund um den Signal-Iduna-Park im Sommer besagten Jahres für absolutes Entsetzen sorgte. Einen derartigen Vorgang gab es im deutschen Profifußball seit Heiko Herrlich (der ironischerweise 1995 durch einen Streik einen Wechsel zum BVB erzwang) nicht und brachte auch international eine Kettenreaktion in Gang, die seitdem ihresgleichen sucht. Namen wie Pierre-Emerick Aubameyang, Philippe Coutinho, Matheus Nunes oder auch Filip Kostić zeigen auf, dass es auch Eintracht Frankfurt beileibe nicht zum ersten Mal trifft. Verträge sind im finanziell so vollgepumpten Profifußball längst nicht mehr als eine Empfehlung.
Fans fühlen sich hintergangen
Die Fanwut kennt in diesem Rahmen längst keine Grenzen mehr. So fühlen sich die Anhänger leidtragender Vereine verraten, da sie sich mit Leistungsträgern identifizieren, die in unserer Gesellschaft längst eine Art Heldenstatus einnehmen. Dass ehemaligen Spielern oft ein derartiger Hass entgegenschlägt, vor allem, wenn sie dann an die ehemalige Wirkungsstätte zurückkehren, zeigt aber zugleich das Paradoxon im so schnelllebigen Fußballgeschäft auf. So wird sich fortwährend mit den eigenen Akteuren derartig identifiziert, um gegen das „Feindbild“ vorzugehen, dass sich im Rahmen dieser Ereignisse immer wieder zeigt, dass ein Club weit größer ist, als nur ein einzelner Spieler und seine individuellen Errungenschaften. Geschichte und Emotionen lassen sich mit Geld nicht kaufen und werden immer wieder der Grund sein, warum ein einzelnes Problemkind und sein wegbrechender Beitrag zum Erfolg stets im Kollektiv aufgefangen werden kann. Denn das Gegenstück zum Söldnertum war stets die Loyalität.
Gefährliche Doppelmoral
Doch was passiert, wenn ein Spieler die Vereinstreue in einer Art und Weise lebt, für die er die Werte, ja sogar die Zukunft des Vereins, ebenso in Gefahr bringt? Denn wenn man über streikende Profis und deren vereinsschädigendes Verhalten spricht, muss man auch die Kehrseite der Medaille betrachten. Längst ist nicht alles Gold was glänzt, denn auch Akteure, die auf ihre (hochdotierten) Verträge bestehen, können sich Anfeindungen ausgesetzt sehen, wenn sie dadurch Transfers oder Verlängerungen anderer Profis blockieren. Spricht man von Treue und hat einen Spieler, der im Verein bleiben möchte, muss die Frage erlaubt sein: Wo ziehen wir dann die Grenze? Bestes Beispiel ist der Verbleib vom damaligen Großverdiener Samuel Umtiti, der aufgrund eines verweigerten Wechsels 2021 unter anderem für den Abgang von Barça-Legende Lionel Messi verantwortlich war. Ebenso geriet ein gewisser Eden Hazard durch seine Rolle als Bankwärmer mit hochdotiertem Vertrag in die Schusslinie der Real-Fans, da er dringend benötigtes Budget für Neuzugänge blockierte. Der schnelle Ruf des Geldes bringt also für beide Seiten eine gewisse Komplexität mit sich, die hier nicht unerwähnt bleiben soll und aufzeigt, wie komplex das Geschäft längst geworden ist, an dessen Ende doch immer wieder die Belange des Clubs über allem stehen werden.