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Was haben wir sie nicht alle vermisst, die europäischen Abende garniert mit einer Prise Catenaccio a lá José Mourinho. Dass der stoische Erfolgstrainer, von vielen im ganz großen Konzert der europäischen Krone bereits abgeschrieben, es nach wie vor drauf hat, musste gestern Bayer Leverkusen schmerzvoll am eigenen Leib erfahren. Leidtragender war deshalb vor allem sein ehemaliger Schüler Xabi Alonso, der es ähnlich wie alle Zuschauer vor Ort und die, die live vor den TV-Bildschirmen dabei waren, kaum fassen konnten. Doch sind wir einmal ganz ehrlich, kommt diese Art und Weise des Fußballspielens nicht aus heiterem Himmel und ist Grund genug dafür, uns in einem Kurzkommentar einmal Mourinhos ganz persönlicher Interpretation des „Joga Bonito“ zu widmen.
The Special One at it’s best
Klar, der Blick auf die Statistiken dieses Spiels spricht eine eindeutige Sprache: 23:1 Torschüsse, 72:28% Ballbesitz, 621:253 gespielte Pässe. Alle wichtigen Parameter, die im Nachgang eines Spiels von der Datenanalyse erhoben werden, fallen klar pro Leverkusen aus. Hinzu kommt die auch objektiv gesehen mehr als fragwürdige der Spielweise der Roma, die deren Akteure mehr am Boden und auf Zeit spielend vorsah, als mit Ball am Fuß. Der Grund dafür, dass die Giallorossi herzlich wenig daran interessiert waren, an diesem Fußballspiel gegen eine wahnsinnig offensive Bayer-Mannschaft teilzunehmen, trägt dabei einen Namen: José Mourinho. Müsste man die Art dieses besonderen Charakters des Weltfußballs treffend umschreiben, so würde man wohl die Worte „Zielstrebigkeit“, „Provokationen“ oder „Grenzlegalität“ bemühen. Entweder man liebt ihn oder man hasst ihn, aber eins ist so klar wie das Blaumeer (Grüße an die One Piece Community): Man weiß genau, was man von ihm bekommt. Und ich bin sicher, dass auch Leverkusen und Xabi Alonso, einst Mourinhos verlängerter Arm auf dem Platz bei Real Madrid, wussten was ihnen bevorsteht. Dass der Ärger über die Art und Weise im Zuge einer Niederlage inmitten aller Emotionen erstmal überwiegt, ist klar und doch wird sich der unterlegene Gastgeber eingestehen müssen, dass am Ende die Effektivität das schöne Spiel schlug. Ein schönes Spiel, dass Mourinho eben auf seine ganz eigene Art und Weise interpretiert.
Der Erfolg gibt ihm Recht
Da war er also wieder, der verbissene Pragmatiker, der den Erfolg seiner Mannschaft über alles stellt. Getreu dem Motto: Der Zweck heiligt alle Mittel. Und wenn ich sage alle, meine ich an dieser Stelle auch wirklich alle. Dagegen fand auch Bayer an diesem Donnerstag Abend kein Patentrezept. Schon so viele bissen sich die Zähne an den Teams des heißblütigen Portugiesen aus, der es immer wieder schafft, seine Mannschaft auf minimalistische Art und Weise in europäische Finals, wenn nicht gar zum Titel zu führen. Mit dem FC Porto gelang ihm das, mit Inter Mailand gelang ihm das und auch mit der AS Rom gelang ihm das im vergangenen Jahr bereits. Der Erfolg gibt dem selbsternannten „Special One“ ohne Wenn und Aber Recht. Auch wenn man seinen Fußball nicht mag, da er diesem bewusst die Attraktivität entzieht, man muss die Leistung der Teams, die Mourinho auch mit geringen finanziellen Mitteln (FC Porto, AS Roma) herauszukitzeln vermag, einfach mal würdigen. Wir gönnen in dieser Gesellschaft sowie viel zu wenig und schauen mehr auf die äußeren Umstände, als dass wir einfach mal anerkennend Beifall klatschen. Ja, Mourinho polarisiert und ja, ich mag seinen Fußball auch nicht und doch hat er seine Daseinsberechtigung. Der 60-Jährige ist ein ganz großer der Trainerzunft und wird am Ende natürlich wie jeder andere am Erfolg und an Titeln gemessen. „Mou“ hat das verstanden wie kein Zweiter und ist auch deswegen genau so richtig, wie er ist. Welcher Ruf ihm dabei vorauseilt, wird ihm herzlich egal sein, denn dass war es schon immer. Das wichtigste für ihn ist und bleibt der Erfolg. Und den hat er ohne Zweifel.