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Seit nunmehr zwei Wochen beschäftigt das Urteil des italienischen Innenministeriums die nationalen sowie internationalen Medien bereits: Der SGE und ihren Fans aus Frankfurt, die ohnehin nach einer 0:2 Heimniederlage schon genug mit der sportlichen Situation zu tun haben, wird per erneuter, nun endgültiger rechtlicher Verfügung wegen Sicherheitsbedenken der Zutritt zum Stadion verwehrt. Trotz oberflächlich nachvollziehbarer Risiken bezüglich der allgemeinen Sicherheit handelt es sich, wenn man die offizielle Erklärung der Stadt betrachtet, um einen beispiellosen Vorgang in der Geschichte des europäischen Fußballs. Wie viele Facetten dieser Ausschluss hat, wird erst bei näherer Betrachtung klar und erfordert ein gewisses Fingerspitzengefühl, das Ursache und Wirkung des Ganzen zusammenführt. Dabei kommt vielen verschiedenen Parteien gleichzeitig eine wichtige Rolle zu, die auf den ersten Blick zunächst unwichtig erscheint. Wie zum Beispiel das nationale Innenministerium transparenter hätte vorgehen können, warum die mediale Betrachtung den absolut falschen Schwerpunkt setzt und weshalb das Urteil möglicherweise sogar noch weitreichendere Folgen haben könnte, erfahrt ihr im folgenden Kommentar.
Chronologie der Ereignisse
Das ganze Hin und Her hat wie bereits eingangs erwähnt einen faden Beigeschmack und hält im Vorfeld des Auftritts der SGE am Mittwoch am Fuße des Vesuvs immer wieder spektakuläre Wendungen bereit, die in dieser Häufigkeit schon mal schnell unübersichtlich werden können. Weil es bei den Rechtssprechungen sowie Verlautbarungen der einzelnen Parteien immer wieder zu speziellen Anpassungen kommt, halte ich es, bevor wir zum eigentlichen Teil dieses Kommentars übergehen, für nötig, die bisherigen Ereignisse zum besseren Verständnis noch einmal kurz chronologisch wiederzugeben. Am vergangenen Dienstag überraschte das italienische Innenministerium Eintracht Frankfurt und seine Fans mit einer Verfügung, die die Anhänger der SGE aufgrund von Sicherheitsrisiken am Einlass ins Stadion des SSC Neapel hindern sollte. Der Medienaufruhr war groß und auch die Antwort des Bundesligisten ließ nicht lange auf sich warten: Man gab zu Protokoll, dass man die weiteren Entwicklungen abwarte und dann die nötigen Schritte in die Wege leiten würde. Wenige Tage später, um genauer zu sein am Samstag, den 11. März, vermeldeten die nationalen Medien übereinstimmend, dass das Verbot per Eilantrag der Frankfurter gerichtlich gekippt worden sei. Die Freude im Lager der Hessen war aber nur von kurzer Dauer, denn nicht einmal 48 Stunden später erließ nun die Präfektur Neapel ein erneutes, wenn auch angepasstes Verbot, das sich gegen den Ticketverkauf an aus Frankfurt kommende Staatsbürger richtete. Bis heute, den 14. März, handelt es sich dabei um ein aktuelles Verbot, auf das der Verein aus der Mainmetropole mit der Rückgabe aller ursprünglich verfügbaren 2700 Tickets reagierte, da man ein solch unverhältnismäßiges Auswahlverfahren nicht toleriere.
Fanausschluss als sportlicher Skandal und beispielloser Machtmissbrauch
Dass die offizielle Erklärung der Präfektur Neapels nach der nun wohl endgültigen Rechtsprechung eine „massive Gefährdung der deutschen Fans“ beinhaltet und so seine Sicherheitsbedenken zum Ausdruck bringt, ist das Eine. Der Zeitpunkt, den das italienische Innenministerium zuvor für eine solche Verfügung wählte, ist für mich aber in Anbetracht dessen, was sportlich auf dem Spiel steht und wie intransparent folglich mit dieser Thematik umgegangen wurde, nicht weniger als ein handfester Skandal. Wie bereits zuvor eingeworfen, ist die Sorge der Behörden nicht völlig unbegründet und würde unter anderen, weniger besonderen Umständen vermutlich auch seitens der Medien ohne weiteres Tamtam akzeptiert werden. Die Gewaltbereitschaft beider Fanlager ist bekannt und macht in jedem Fall im Vorfeld eines solchen Spiels zusätzliche Vorsichtsmaßnahmen notwendig. Wenn ich allerdings von Notwendigkeiten spreche, um derartige Ausschreitungen zu verhindern, beziehe ich mich auf Sicherheitskonzepte oder Polizeieskorten, die die Besonderheit dieses brisanten Duells widerspiegeln. Dass sich dieser Fall im Rahmen eines alles entscheidenden Rückspiels, bei dem es neben dem sportlichen Einzug ins Viertelfinale zusätzlich noch um eine millionenschwere Summe (ca. 10,6 Mio. €) geht, von der Normalität abhebt, ist denke ich unbestritten. Es gibt hierbei einfach viel zu viele Ungereimtheiten, die es von einem unabhängigen Untersuchungsausschuss aufzuarbeiten gilt (Vielleicht wäre das ja mal was für die UEFA?). Beispielsweise, um damit auf die Frage des Zeitpunkts zurückzukommen, warum dieses Verbot erst so spät erlassen wurde? Weshalb ist es den Behörden nicht möglich gewesen, den Vorgang, der öffentlichkeitswirksam erst vor rund einer Woche angestoßen wurde, früher publik zu machen, um gemeinsam an einer Lösungsstrategie zu arbeiten? Warum hatte zumindest die SGE keine Kenntnis von diesen Vorgängen und wurde genauso wie alle anderen von diesem Erlass derart überrascht? Nicht nur dieser Sachverhalt wirft ein äußerst schlechtes Licht auf die Vorgänge der zuständigen Instanzen und sorgt in der Folge dieses beispiellosen Vorgangs im europäischen Fußball für weitere Fragen, die in mir nicht weniger als das blanke Unverständnis hevorbringen.
Fragen über Fragen
Eine weitere Problematik, die sich erneut auftut, wenn ich auf das Statement der Italiener blicke, ist, wieso man dem eigenen Wortlaut nach die Sicherheit der jeweiligen Fangruppen nicht ausreichend gewährleisten kann? Was genau bedeutet das? In wiefern rechtfertigt der zuerst einmal separiert betrachtet nachvollziehbare Gedanke der Gefährdung das so prompte und strikte Verbot der Eintracht Fans im Stadion des SSC Neapel, bei dem mittlerweile sogar ein Betretungsverbot des ganzen Stadtgebietes im Raum steht? Fördert man mit einer solchen Willkür nicht noch mehr Gewalt? Wie steht es denn um das ausgearbeitete Sicherheitskonzept der örtlichen Polizei? Gibt bzw. gab es überhaupt eins? Warum setzte man in Frankfurt alle Hebel in Bewegung, um die Sicherheit der eigenen Anhänger, als auch die der Gästefans zu gewährleisten, wenn es sich der Kontrahent drei Wochen später so einfach macht? Wo bleibt die Verhältnismäßigkeit in diesem Verfahren? Mir stellen sich alleine schon in diesem Rahmen so viele Fragen, dass sich ein ganzes Buch damit füllen ließe. Klar ist Folgendes: Man sollte dieses ganze Ereignis nicht nur sportlich betrachten und darauf reduzieren, welche Nachteile dem Verein durch den fehlenden Support seiner Anhänger entstehen, sondern auch mal einen Blick auf die Anhänger selbst werfen. Die mit dem Urteil verbundenen, vor allem finanziellen, Folgen für die so treue Anhängerschaft der Hessen sind für mich ein Aspekt, der medial viel zu wenig aufgegriffen wird. Es entstehen in Folge dieses Skandals weitere Probleme, die dem ganzen Theater eine zusätzliche Pointe verleihen. Ich möchte zur Veranschaulichung hier kurz ein kleines Beispiel anführen, um das Mitgefühl bezüglich der geschädigten Fans besser zum Ausdruck bringen zu können: Mal angenommen, ein treuer SGE Anhänger aus der bürgerlichen Mittelschicht erfüllt sich als italienischstämmiger Fan einen Lebenstraum und spart seit der Bekanntgabe dieses Duells auf diese Reise hin. Er opfert einen freien Tag, um im hektischen Trubel des SGE Onlineshops mit viel Glück an eine heißbegehrte Karte zu kommen. Nun setzt er sich im Freudentaumel an seinen Rechner, bucht einen nun aufgrund des Andrangs schon leicht überteuerten Flug und kümmert sich um eine Unterkunft, die für „deutsche“ Fans deutlich teurer wird als für gewöhnliche Touristen. Alles erledigt, die Freude ist grenzenlos. Er nimmt sich Urlaub und fiebert knappe drei Monate auf die Reise seines Lebens hin, nur um eine Woche davor zu erfahren, dass der Traum geplatzt ist. Der Flug ist lange gebucht, die Unterkunft sieben Tage davor nicht mehr stornierbar und die Erstattung des Ticketpreises aus emotionaler Sicht nur ein weiterer Schlag ins Gesicht. Was macht das mit euch? Bei mir sorgt es vor allem für Wut über die Intransparenz und die Willkür in diesem Verfahren, die beispiellos daherkommt und noch viel mehr auslösen könnte, als eine einmalige Welle der Entrüstung.
Ein Urteil mit Bosman Potential
Einige von uns werden sich sicherlich noch an einen Fall erinnern, der den Profifußball schon einmal grundlegend revolutionierte: Das Bosman Urteil. Für diejenigen von euch, die mit diesem Namen bzw. dessen Folgen nichts anfangen können, hier eine kurze Erklärung:
„Das Bosman Urteil ist eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes von 1995, die sich massiv auf den Profifußball in der EU auswirkte. Danach dürfen Fußballer nach Beendigung ihres Vertrages ablösefrei den Verein wechseln. Die Profivereine wurden verpflichtet, bestehende Restriktionen gegenüber Ausländern aufzuheben (z. B. Begrenzung der Zahl von Ausländern in einer Mannschaft). Das Urteil folgte der Schadensersatzklage des Spielers Jean-Marc Bosman: Die hohe Ablösesumme, die sein Arbeitgeber RFC Lüttich forderte, schränke ihn in seiner europarechtlich verbürgten Arbeitnehmerfreizügigkeit ein (Quelle: Bundeszentrale für politische Bildung).“
So ist die Entscheidung der Präfektur Neapels zwar nicht mit einer Revolution bezüglich Spielertransfers gleichzusetzen, könnte aber in Bezug auf den, vor allem zeitlich, unverständlichen Ausschluss der Fans massive Auswirkungen auf zukünftige Spielansetzungen haben. Wenn die UEFA (wie nicht anders zu erwarten) bei diesem Akt der behördlichen Willkür nicht eingreift und beispielsweise ein Geisterspiel anordnet oder einen neutralen Spielort festlegt, könnte dieser Vorgang in den nächsten Jahren zur gängigen Praxis werden. Warum finanzielle oder personelle Ressourcen darauf verwenden, umfangreiche Sicherheitskonzepte zu entwickeln, wenn sich die Gefahr einfach durch einen Fanauschluss per gerichtlicher Anordnung eliminieren lässt. Dieses aktuelle Ereignis, das wir, wenn es nicht noch eine weitere Wendung bereithält, am 15. März 2023 erleben, könnte zum beispiellosen Präzedenzfall im europäischen Fußball werden und damit die Möglichkeiten zur gezielten Wettbewerbsverzerrung extrem erleichtern. Um das ganze Thema bzw. diesen Kommentar abzurunden, möchte ich gerne mit den Worten des SGE Vorstands Philipp Reschke schließen, der das Vorgehen der zuständigen Parteien mit der Büchse der Pandora verglich und so die Brücke zu dem schlug, was die einzig richtige Maßnahme in diesem hochklassigen CL-Achtelfinal Rückspiel gewesen wäre: Das Öffnen der Stadiontore. Und zwar für Alle!