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Am gestrigen Mittwoch war es also mal wieder so weit. Der 1. FSV Mainz 05 und der FC Bayern München trafen sich zum DFB Pokal Achtelfinale. Im Vorhinein schien vieles ungewiss, denn der deutsche Rekordmeister kam mit einem Rucksack von drei sieglosen Spielen am Stück nach Mainz, während die 05er noch im letzten Bundesliga Heimspiel gegen den VfL Bochum einen 5:2 Kantersieg feierten. Ein gewisses Sensationspotential war in jedem Fall vorhanden, denn für den FSV bot sich nicht nur die Möglichkeit, den Einzug ins Viertelfinale perfekt zu machen, sondern auch der Bundesliga einen großen Dienst zu erweisen und die Bayern noch tiefer in die sportliche Krise zu stürzen. Jedoch kam alles anders und doch wie erwartet: Der FC Bayern fegte auffallend ängstliche und passive Mainzer mit 0:4 aus dem Stadion und meldete sich leistungstechnisch eindrucksvoll zurück. Warum das Team von Julian Nagelsmann so deutlich gewinnen konnte, weshalb Bo Svensson Schuld an der Mainzer Niederlage ist und wieso Neuzugang João Cancelo direkt voll einschlug, erfahrt ihr im folgenden Text.
Spielfreude schlägt Angsthasenfußball
Als jemand, der das Spiel live vor Ort im Stadion verfolgt hat, kann ich sagen, dass von Minute 1 an sofort spürbar war, wie dieses Spiel ausgehen wird. Der FC Bayern lies den Ball direkt in den eigenen Reihen zirkulieren und suchte den offensiven Weg über die hochstehenden Außenverteidiger Cancelo und Coman (im Spiel selbst fand sich aufgrund der Asymmetrie zwischen linker und rechter Seite vor allem Kingsley Coman dort wieder, weil Cancelo des öfteren etwas nach innen rückte), während die Gastgeber vom Beginn weg sprichwörtlich die Hosen voll hatten. Die Dominanz der Gäste war prompt erdrückend und resultierte in zwei gefährlichen Torabschlüssen, die der Mainzer Torwart Dahmen gerade noch so entschärfen konnte. Dass das im Verlauf des Spiels so nicht gutgehen kann, verriet dem geneigten Fan nicht nur der Blick in die eigene Glaskugel, sondern auch nach 90 Minuten die bittere Realität auf der Anzeigetafel: Mainz 0 FC Bayern 4. Doch um zurück zur eigentlichen Ausgangsposition zu kommen, drängt sich mir eine Frage regelrecht auf: Warum spielte Mainz so passiv und ohne jeglichen Zugriff im offensichtlich angestrebten Defensivpressing? Die Strategie schien es zu sein, die trotz aller eigenen Schwächen überzeugenden Münchner andribbeln zu lassen und sie im direkten Zweikampf zu stellen. Doch was nützt dir ein feinsäuberlich ausgetüftelter Matchplan, wenn du weltklasse Akteuren wie Coman oder Cancelo damit voll in die Karten spielst? Spätestens nach 15 Minuten, einem Gegentor nach Flanke vom stark aufziehenden portugiesischen Neuzugang (der im Vorfeld des Treffers auf Außen ob seiner bekannten Stärken nicht einmal gedoppelt wurde) und einer gelben Karte von Kapitän Silvan Widmer gegen den pfeilschnellen Coman später, war klar, dass diese Herangehensweise krachend gescheitert war. Doch statt den Schweizer Rechtsverteidiger sofort runterzuholen und auch das bis dahin erschreckend leidenschaftslose Mittelfeld um Barkok und Stach personell zu verändern, sah Trainer Svensson weiter mit an, wie die Bayern einen Angriff nach dem anderen nach Schema F inszenierten und so zu ihren Toren zwei und drei kamen.
Svensson verantwortlich für das Mainzer Debakel
Erkennt man diese Dinge, nimmt man Anpassungen vor. So geschehen bei Widmer, doch das ist dann nach 40 völlig desaströsen Minuten der Überforderung auch nur noch dem Schein nach zu loben. Dass Trainer Bo Svensson erst zur zweiten Halbzeit mit Jae-Sung Lee den besten Mainzer brachte und so in der Mannschaft für einen spürbaren Aufschwung in den ersten 15-20 Minuten sorgte, bringt bei mir eigentlich nur das blanke Unverständnis hervor. Ohne Frage erwischten die Bayern einen guten Abend mit deutlicher Leistungssteigerung im Vergleich zu den Spielen gegen Köln oder Frankfurt, dennoch wurde es ihnen auch sehr leicht gemacht. Ein toller João Cancelo als „abkippender“ Flügelverteidiger (ein kurzerhand von mir erfundener Neologismus) ein dirigierender Joshua Kimmich sowie ein effektiver Choupo-Moting waren ohne Zweifel die Schlüsselspieler an diesem Abend, an dem Trainer Julian Nagelsmann das Mainzer Spielsystem in beeindruckender Art und Weise aushebelte, indem er die Dreierkette seines Gegenüber spiegelte und den Außenverteidigern Widmer/Da Costa und Aaron/Caci die offensiven Stärken nahm. Dass Svensson dies erkannte und Caci statt Aaron auf die linke Seite stellte sowie Lee und später auch noch den an allen Ecken und Enden vermissten Ballschlepper Onisiwo einwechselte, wurde durch die Einwechslung vom Mainzer Messias Alexander Hack überschattet, der nach 85 Minuten genauso wie der 05er Chefcoach für seine Leistung folgerichtig vom Platz gestellt wurde.
Bayern im Achtelfinale – Mainz nun auf die Liga fokussiert
Die Bayern ziehen also ohne Gegenwehr ins DFB Pokal Viertelfinale ein und halten sich so weiter ihre Chancen in allen drei Wettbewerben offen. Trainer Nagelsmann kann zufrieden sein und sich vor allem über ein gelungenes Debüt von Wunschspieler João Cancelo freuen, der die Vorstellungen seines Vorgesetzten sofort perfekt umsetzte. Der ehemalige Coach der TSG Hoffenheim und von RB Leipzig durfte zusätzlich auch noch ein neues Spielsystem etablieren, was er im Interview nach dem Spiel gleich als Modell für die Zukunft anpreiste. Dass der 35-Jährige ohnehin ein Fan der Dreierkette ist, ist spätestens seit seiner ersten Saison als Bayern Trainer hinlänglich bekannt. Somit bietet sich hier ein doppelter Grund zu Freude und sorgt dafür, dass man im Verein in den nächsten Wochen deutlich entspannter arbeiten kann und die Augen voll und ganz auf das Champions League Achtelfinal-Hinspiel gegen Paris gerichtet werden können. Die Mainzer hingegen müssen sich an die eigene Nase packen, so hat man durch den eigens praktizierten Angsthasenfußball nicht nur eine große Chance vertan, die bis dahin kriselnden Bayern frühzeitig unter Druck zu setzen, sondern auch selbst ein Erfolgserlebnis mit Symbolcharakter feiern zu dürfen. In jedem Fall zeigt sich hier einmal mehr, dass zu einem erfolgreichen Spiel mehr gehört, als nur einen neunmalklugen Matchplan an der Hand zu haben, sondern auch die passende Einstellung sowie der nötige Wille dazugehören, die vom Trainer im Vorfeld einer solchen Partie vorgelebt werden müssen. Mainz verpasst also diese Chance und ist möglicherweise dafür verantwortlich, dass die Saison beider Vereine nun eine völlig neue Wendung nehmen könnte.