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Völlig unerwartet tauchte heute Mittag also die Meldung auf, die die ganze Medienlandschaft in Aufruhr versetzte: João Cancelo wechselt per Leihe zum FC Bayern München. Was war passiert, fragte man sich. Wieso war das möglich und vor allem warum wusste niemand davon? Gründe dafür gibt es viele und diese werden auch im Folgenden behandelt, doch einer von ihnen sticht dabei ganz besonders heraus: Sportvorstand Hasan „Brazzo“ Salihamidzic. So oft wurde er in der Vergangenheit immer wieder für seine verhaltene, auf Sicherheit bedachte, ja oft sogar fehlgeschlagene Transferpolitik verurteilt. Doch Brazzo schaffte es sukzessiv, in den vergangenen Jahren sein Profil als Mastermind auf dem Transfermarkt zu schärfen, was nicht zuletzt durch diesen großartigen Transfer bestätigt wurde. Längst hat sich der oft belächelte Hoeneß Zögling zu einem Big Player auf dem Transfermarkt und am Verhandlungstisch gemausert. Warum das so ist und weshalb der FC Bayern jetzt von Hintergrundtätigkeiten profitiert, die bereits Jahre im voraus inszeniert worden waren, erfahrt ihr im folgenden Artikel.
Salihamidzic schärft sein Profil
Mit dem offensivstarken Außenverteidiger ist dem Verein also ein Coup gelungen, den so niemand vorausgesehen hat. Nicht zuletzt deshalb, weil der erste Kontakt zwischen Spieler und Verantwortlichen erst am vergangenen Sonntag zustande kam. Auch wenn zwischen ersten Signalen und Abschluss nicht einmal 48 Stunden gelegen haben dürften, ist es trotz allem ein enormer Verdienst einer jeden involvierten Partei, dass von diesen Verhandlungen nicht vorher etwas ans Licht kam und so erfolgreich verhindert wurde, dass Unruhe in diesen Deal hineingebracht werden konnte. Zusätzlich zum zeitlichen Aspekt ein enormer Verdienst von Bayerns Sportvorstand, denn jeder, der sich schon Mal etwas näher mit den groben Zügen des Vertragswerks im Profisport beschäftigt hat, weiß, wie schwer es bisweilen sein kann, sich mit einem Spieler bzw. seinem Berater auf alle möglichen Parameter wie Gehalt, etliche Vertragsboni etc. zu einigen. Dass der Cancelo Deal also so schnell klappte zeigt auch, wie sehr alle Parteien diesen Wechsel wollten. Das nächste Meisterstück also von Brazzo, der nicht zuletzt mit diesem Transfer endgültig unter Beweis stellte, welche Einfluss er nicht nur als Vorstand im Verein selbst, sondern mittlerweile auch nach Außen hin auf die Fußballwelt hat.
Vom Buhmann zum Mastermind
Viele erinnern sich noch an die Anfänge des Funktionärs Salihamidzic beim FC Bayern München. Als der Verein 2017 einen Sportdirektor suchte, kursierten eine Menge Namen in München. Eine Vereinslegende mit Stallgeruch sollte es möglichst sein und so kamen im Umfeld des Vereins schnell viele Namen ans Licht, die nahe lagen: Philipp Lahm, Bastian Schweinsteiger oder Miroslav Klose. Doch wie wir alle wissen, wurde es keiner dieser Kandidaten, denn Weltmeister Lahm sah sich nicht in dieser Funktion, Schweinsteiger wies keinerlei Qualifikationen auf und Klose, Favorit der Vereinsführung als neuer Sportdirektor, hatte bereits eine Trainerkarriere ins Auge gefasst. Nach ewiger Suche für einen langfristigen Ersatz des bereits ein Jahr zuvor verabschiedeten Matthias Sammer wurde es also Hasan Salihamidzic. Bereits erläuterte Umstände und weitere Faktoren wie sein begrenztes Vokabular als auch seine mangelnden Qualifikationen brachten dem Deutsch-Bosnier schnell den Ruf als Notnagel und verhätschelter Hoeneß Zögling ein, der nur durch Vitamin-B an diesen Posten kam. Brazzo musste immerzu um Anerkennung kämpfen und trieb mit vielen verfehlten Transfers in seiner Anfangszeit dazu bei, dass so immer mehr Wasser auf die Mühlen seiner Kritiker floss. Beispielsweise die Verpflichtungen von Fiete Arp (HSV), Philippe Coutinho (Barca) oder in der Anfangszeit Lucas Hernández (Atlético) waren schnell als Fehleinkäufe verbucht und dem jungen Sportdirektor angelastet worden. Nach einem desaströsen Transfersommer 2020, in dem er kurz zuvor sogar zum Sportvorstand befördert wurde, und nach außen dringenden atmosphärischen Störungen mit Erfolgstrainer Flick stieg der Druck auf den Bosnier fast ins unermessliche. Doch der heute 46-Jährige schärfte sein Profil nach und nach, gewann das Vertrauen der Verantwortlichen vollumfänglich zurück und sorgte mit Transfers von enormer Weitsicht für nachhaltigen sportlichen Erfolg. Denn wenn man die Verfehlungen in der Transferpolitik der letzten Jahre aufzählt, muss man auch die Namen der Spieler nennen, die der Sportvorstand dem Verein als absolute Glückstreffer auf dem Silbertablett servierte. Hervorragende Beispiele hierfür sind Leon Goretzka (Schalke 04), Alphonso Davies (Vancouver Whitecaps), Benjamin Pavard (Stuttgart) und nicht zuletzt João Cancelo (Manchester City). Mit Attributen wie Fleiß, Bescheidenheit und Durchhaltevermögen hat sich Salihamidzic also als einer der einflussreichsten Sportvorstände der Fußballwelt an die Spitze gearbeitet, an der sich nun nach Jahren der harten Arbeit zurecht sonnen darf.
Was bedeutet der Cancelo Transfer für die sportliche Zukunft des Vereins?
Um einen Ausblick darauf zu geben, was der Transfer des aktuell besten Außenverteidigers der Welt, der auf links und rechts sowie auch als Sechser vor der Abwehr spielen kann, für den FC Bayern bedeuten könnte, muss man allerdings auch auf die näheren Umstände des Deals eingehen. Bei allen Lobeshymnen auf die Beharrlichkeit des FC Bayern in Person von Hasan Salihamidzic als auch von Trainer Julian Nagelsmann, der den Spieler unbedingt in seinen Reihen wollte, profitierte man beim deutschen Rekordmeister vor allem vom gestörten Verhältnis zwischen dem portugiesischen Abwehrspieler und Trainer Pep Guardiola. Der katalanische Erfolgstrainer soll nach Unstimmigkeiten mit Cancelo „atmosphärische Störungen“ in der Kabine befürchtet haben, weshalb er einem Wechsel seines Erfolgsgaranten ohne zu zögern zustimmte. Als man beim FC Bayern Wind davon bekam, handelte man schnell und leitete alles in die Wege, um einen Spieler dieses Formats in den Süden der Republik lotsen zu können. Eine besondere Verkettung günstiger Umstände also für einen Deal, den vor 72 Stunden so niemand kommen sah. Der Verein hat sich still und heimlich auf Leihbasis den wohl aufregendsten Verteidiger der Fußballwelt gesichert, den man obendrein im Sommer für 70 Millionen Euro (möglicherweise sogar für weniger) verpflichten kann. Und um mit dem Beginn dieses Artikels zu schließen, bietet sich an eines zu festzustellen: Ohne Zweifel handelt es sich hierbei um eine absolute Meisterleistung des bayrischen Sportvorstandes, der sich spätestens mit diesem Transfer als Mastermind im europäischen Spitzenfußball verewigt und durch den Transfer des 28-Jährigen Portugiesen eine regelrechte Kettenreaktion angestoßen hat. Durch diesen Statement-Transfer João Cancelos wird es wohl nicht das letzte Mal gewesen sein, dass ein solcher Spieler unter enormen Medienaufruhr seinen Weg in die bayrische Landeshauptstadt gefunden hat. Und wer weiß, vielleicht schafft es der FC Bayern beim nächsten Transfer dieser Größenordnung sogar, die Verhandlungen in unter 24 Stunden abzuschließen. Zuzutrauen wäre es Salihamidzic und Co. in jedem Fall.