4Ballers Orakel: Thomas Tuchel

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Der FC Chelsea und sein neuer Trainer Graham Potter straucheln. Auf Platz 10 stehend und in beiden Pokalwettbewerben bereits ausgeschieden, bietet sich für den Londoner Club praktisch nur noch die Chance auf den Titelgewinn in der Champions League. Angesprochener Potter folgte im September auf Chelseas Erfolgstrainer Thomas Tuchel. Während die Clubführung versucht, die sportliche Misere mit teuren Transfers aufzufangen, forderte nach den letzten Misserfolgen die Mehrheit der Chelsea Fans in der Vergangenheit bereits ihren alten Erfolgsgaranten zurück. Anlässlich dessen stellt sich doch die Frage, wie es wäre, wenn „Super Tommy Tuchel“ wirklich an seine alte Wirkungsstätte zurückkehren würde und was das für die restliche Saison und die mittel- sowie langfristige Zukunft zu bedeuten hätte. Ein Referenzerlebnis dafür, was passieren kann, wenn Tuchel zur zweiten Saisonhälfte den FC Chelsea übernimmt, haben wir ja bereits. Das und vieles mehr soll thematisiert werden, wenn wir in der heutigen Episode unseres 4Ballers Orakel einen Blick in die Glaskugel werfen und zu prognostizieren versuchen, was Tuchel in einer zweiten Amtszeit zu leisten imstande wäre. Viel Spaß!

Tuchel kehrt mit furioser Siegesserie zurück

Wir schreiben den 12.02.23: Nach drei weiteren Niederlagen gegen den FC Liverpool (0:3), Fulham (1:2) und West Ham United (1:4) ist Trainer Graham Potter also nun doch seinen Job los. Zu wenig sprach noch für den erklärten Wunschtrainer der Clubführung um Todd Boehly, der mit seiner Mannschaft nur noch sechs Punkte vor dem ersten Abstiegsplatz rangiert. Als Nachfolger kehrt nun unter enormem Medienaufruhr sein Vorgänger zurück: Der schon lange von den eigenen Anhängern geforderte Thomas Tuchel kann wieder nach Hause kommen, weil der Eigentümer über seinen Schatten springt und den Erfolg über die eigenen Interessen stellt. Nun ist Tuchel auch „sein“ Trainer, das sollte sogar den amerikanischen Multimilliardär zufriedenstellen, oder? Um in der Mannschaft personell noch etwas korrigieren zu können, kommt Tuchel ca. zwei Wochen zu spät, er muss mit dem Material arbeiten, das auch seinem Vorgänger zur Verfügung stand. Chelsea tätigte insgesamt sieben Wintertransfers: Andrey Santos (Vasco da Gama), Fofana (Molde), Badiashile (Monaco), João Felix (Atlético/ Leihe), Mudryk (Donezk), Thuram (Gladbach) und Guerreiro (BVB). Vor allem Letzteren kennt Tuchel noch aus gemeinsamen Tagen beim BVB. Das erste Pflichtspiel unter dem ehemaligen Mainzer Trainer steigt gegen den abstiegsbedrohten FC Southampton, der seines Zeichens nur sechs Punkte hinter den Blues steht. Und dieses Spiel wird gewonnen, indem der FC Chelsea seinen Kontrahenten beim 9:2 Sieg als drittes Team in drei Jahren mit sage und schreibe neun Toren demütigt. Neuzugang Thuram und Kapitän Thiago Silva treffen doppelt, während João Felix, Cucurella, Jorginho, Kovacic und David Fofana die Liste komplettierten. Ein mehr als überzeugender Sieg für Chelsea also, der die Weichen für eine überaus erfolgreiche zweite Saisonhälfte stellen wird. Wieder einmal.

Tuchels Déjà-vu und eine Leistungsexplosion

Und es geht genauso weiter: Nach dem Sieg gegen Southampton, der dem Team den Glauben in die eigene Stärke zurückgibt, fährt man auch in den Wochen bis zum CL Achtelfinal Hinspiel gegen den BVB Sieg um Sieg ein. Und eben dieses sollte für die Londoner ein erster echter Gradmesser werden. Beim Gastspiel im Signal Iduna Park geht es heiß her und Chelsea holt durch Tore von Thuram und Havertz ein 2:2 Unentschieden. Im Rückspiel siegen Tuchels Männer gegen seinen Ex-Verein ungefährdet mit 3:0 und machen so den Viertelfinaleinzug perfekt, indem es übrigens erneut gegen Real Madrid gehen wird, dass den FC Liverpool im Achtelfinale vernichtend geschlagen hatte (4:1, 4:0). Wieder ein Déjà-vu für den CFC, denn auch im letzten Jahr hatte der Gegner in dieser Runde Real Madrid geheißen. Schon jetzt also sprechen wir über eine denkwürdige Saison, die noch außergewöhnlicher werden sollte. Denn nicht nur das folgende Viertelfinale gegen Titelverteidiger gewinnt man (0:0, 2:1) knapp, sondern auch in der englischen Liga verliert man in den folgenden zehn Spielen nur ein Mal (0:2 gegen Arsenal) und gewinnt die restlichen neun Spiele. Chelsea ist wieder ein Spitzenteam in Schlagdistanz zu Platz 5, auf dem sich zu diesem Zeitpunkt der FC Liverpool befindet. Bevor man in London erneut ins Finale der Champions League einziehen wird, räumt man mit Paris St.Germain (2:2, 3:2) einen weiteren Ex-Club Tuchels und damit gleichzeitig einen der Topfavoriten des diesjährigen Wettbewerbs aus dem Weg. Im Endspiel geht es nun gegen Manchester City. Natürlich: Ein déjà-Vu. In der Premier League spielt man eine starke Saison zu Ende und landet schlussendlich auf Platz 5, der zur Teilnahme an der Europa League berechtigen würde, doch man träumt groß und will sich über das Endspiel der Königsklasse erneut für Europas Elitewettbewerb qualifizieren. Das Finale steigt also und Tuchel und Guardiola liefern sich wieder einmal ein Duell auf Augenhöhe, dass erst auf dramatische Art und Weise im Elfmeterschießen entschieden wird. Alle vier Schützen auf beiden Seiten treffen, bis City Keeper Emerson antritt und verschießt. Thuram, der in dieser Rückrunde eine echte Leistungsexplosion erlebte, verwandelt und schießt Chelsea zum Triumph in Europa. Nach dem Coup von Istanbul huldigt die ganze Welt Tuchel und seinem FC Chelsea, doch noch mehr war man gespannt, was Europa in der folgenden Spielzeit erwarten würde, wenn der Deutsche mit diesem Spielermaterial, das um einige Neuzugänge ergänzt werden sollte, eine ganze Vorbereitung absolvieren würde.

Frühes aus in der Königsklasse – Dominant in der Premier League

Gesagt getan, denn der FC Chelsea verstärkt sich in den kommenden Wochen und Monaten mit drei absoluten Topspielern, nimmt aber auch abgangstechnisch einige Veränderungen am Kader vor. Boehly kann seinem Trainer nun keinen Wunsch mehr abschlagen. Für die rechte Außenbahn kommt Tuchels absoluter Wunschspieler Jeremy Frimpong aus Leverkusen für knapp 60 Millionen Euro, während in der Offensive Choupo-Moting (ablösefrei) und Nkunku (65 Mio. €) verpflichtet werden. Im Gegenzug verlassen João Felix, Thiago Silva, Kante, Zakaria, Zyiech und Pulisic den Verein. Chelseas Kader wird nun deutlich ausgedünnt und auf Tuchels Ideen perfekt abgestimmt. Der Start in die neue Saison verläuft mit drei Siegen am Stück reibungslos und auch in den kommenden Wochen gewinnt die Mannschaft Spiel um Spiel, sodass man Ende November bereits mit 10 Punkten Vorsprung auf Platz 2 vor Newcastle United an der Spitze thront. Alles wäre perfekt, wenn die enttäuschende Performance in der Champions League nicht wäre. In einer „Todesgruppe“ mit Real Madrid, Juventus Turin und dem SC Freiburg scheidet man kläglich als Tabellenletzter aus. Doch dieses Aus hat keinerlei Einfluss auf die überragenden Leistungen in der Premier League. In der Rückrunde schafft man es sogar, mit Liverpool, City, Newcastle, Arsenal, Tottenham und Manchester United alle Top 7 Teams ohne Gegentor zu schlagen und egalisiert am Ende der Saison den schier unmöglich zu erreichenden Punkterekord von Manchester City aus dem Jahr 2018 (100 Punkte) und wird mit sage und schreibe 22 Punkten Vorsprung vor Newcastle United um seinen neuen Superstar Cristiano Ronaldo ungefährdet englischer Meister. Ein erdrutschgleicher Sieg, der auch das frühe Aus in der Champions League erträglich macht. Nkunku wird in seiner ersten Saison an der Stamford Bridge Torschützenkönig (29 Treffer) und gleichzeitig zum Spieler der Saison gewählt. Die Blues schweben nach dem Champions League Triumph im letzten Jahr erneut auf Wolke 7. Doch auch nach diesen Feierlichkeiten droht ein weiteres Déjà-vu.

Tuchel zerstreitet sich mit der Clubführung und verlässt Chelsea endgültig

Nach der Sommerpause verlangt Tuchel lautstark nach Verstärkungen in Abwehr und Mittelfeld, da vor allem die Abgänge von Thiago Silva und Kanté trotz der großen Erfolge nie richtig aufgefangen werden konnten. Vor allem in der Champions League zeigt sich dass in Spitzenspielen gegen Real Madrid oder Juventus Turin deutlich. Besitzer Todd Boehly jedoch verneint diese, da er aufgrund der überzeugenden Leistungen in der heimischen Premier League der Meinung ist, dass vorhandene Spielermaterial wäre absolut ausreichend. Es entstehen (wieder einmal) erste Risse in der zweiten Amtszeit des deutschen Trainers. Zudem wird kurz vor Saisonstart eine Auseinandersetzung Tuchels mit Kapitän Azpilicueta öffentlich. Denkbar ungünstige Vorzeichen also für eine erneut erfolgreiche Saison, vor allem weil sich auch noch Topscorer Nkunku einen Kreuzbandriss im linken Knie zuzieht. Nachdem die ersten zwei Spiele gegen Manchester United als auch gegen Aufsteiger Sunderland verloren werden, brennt der Baum an der Stamford Bridge endgültig. Es deutet sich eins immer mehr an: Die letzte Saison des ehemaligen Dortmunders endet genauso wie die in seiner ersten Amtszeit: Todd Boehly hat nach drei Niederlagen und zwei Unentschieden zum Auftakt genug und entlässt Tuchel nach einer weiteren Niederlage in der Champions League gegen Dinamo Zagreb… Natürlich, ein Déjà-vu.

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