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Rund sechs Monate vor der Weltmeisterschaft in Nord- und Mittelamerika befindet sich die deutsche Nationalmannschaft weiterhin auf der Suche. Bundestrainer Julian Nagelsmann steht längst unter Zugzwang.
Mittlerweile dauert es nur noch etwas mehr ein halbes Jahr bis zur WM 2026. Während also das Hauptaugenmerk der großen Nationen in vielen Fällen schon auf einer optimalen Turniervorbereitung liegt, kämpft der DFB-Tross nicht nur um die Teilnahme am Turnier, sondern befindet sich auch personell weiterhin völlig im Unklaren. Die deutsche Nationalmannschaft wirkt, als sei sie weiter auf der Suche nach sich selbst.
Mit seiner neuesten Kadernominierung lag es an Bundestrainer Julian Nagelsmann, endlich Ruhe und die nötige Richtung zu vermitteln. Stattdessen entfachte der 38-Jährige allerdings eine Debatte, die alte Zweifel neu befeuert. Fußball-Deutschland kommt seit Monaten einfach nicht zur Ruhe. Gründe dafür gibt es unzählige.
Nagelsmann widerspricht sich selbst
Die wohl auffälligste Personalie der aktuellen Kontroverse: Angelo Stiller. Der Stuttgarter, bislang einer konstantesten und spielstärksten Sechser der bisherigen Spielzeit, erhielt im Vorfeld der entscheidenden WM-Qualifkationsspiele überraschend keine Nominierung. Während Stillers Fehlen bereits ohne jedwedes Statement Fragen aufwarf, befeuerte der Bundestrainer die Personalie mit fragwürdigen Aussagen weiter.
„Wenn ich die vier Wochen vor dem letzten Lehrgang nehme, wo er dabei war, war es deutlich unverdienter, dass er dabei war, als es jetzt der Fall wäre, weil seine Entwicklung deutlich in die richtige Richtung geht“, begründete der Bundestrainer Stillers Fehlen. Aussagen, die Nagelsmann verworrene und selten nachvollziehbare Entscheidungen der letzten Monaten eindrucksvoll unterstreichen.
Was wurde aus dem Leistungsprinzip?
Nachdem der Mainzer Nadiem Amiri verletzungsbedingt abreisen musste, rückte überraschend Assan Ouédraogo nach. Auch wenn der Leipziger ein Stück weit offensiver beheimatet ist als Stiller, wirkt dessen Nominierung eher wie ein Perspektivprojekt, als ein essenzieller Baustein für das Hier und Jetzt.
Ähnlich diskutabel ist die Nominierung von Leroy Sané. Der Ex-Müchner ist ein eindrucksvoller Beweis dafür, wie Nagelsmann das Leistungsprinzip selbst infrage stellt. Attestierte er Stiller also eine aufsteigende Formkurve, die dennoch nicht reichte, überzeugte Sané in der Türkei zuletzt nur bedingt. Als der Bundestrainer noch vor wenigen Wochen öffentlich eine deutliche Leistungssteigerung des 29-Jährigen forderte, hätten ihn die Zahlen des Offensivakteurs wohl kaum überzeugen können.
Während die Nominierung von Said El Mala als gelungener Überraschungsmoment gewertet werden darf, fehlt es im Umfeld des DFB weiterhin an klaren Strukturen. Wo auf vielen Positionen weiterhin nicht klar ist, wie man als Team das Großereignis in Übersee angehen möchte, fehlt es Nagelsmann vor allem öffentlich weiterhin an einer stringenten Vorgehensweise.
Diese Mischung aus Perspektive, Bauchgefühl und Experimentierfreude kann kurzfristig definitiv gefährlich werden. Denn eine Nationalmannschaft braucht vor einer WM keine Unruhe, sondern klare Hierarchien und verlässliche Rollen. Momentan wirkt der Kader jedoch wie ein Puzzle aus unterschiedlichen Ideen. In der Theorie ambitioniert, in der Praxis allerdings wenig überzeugend.
