Eine neue Champions League Saison steht an und wie jedes Jahr stellt sich die Frage nach den Favoriten, denen die es gerne sein würden und die, die niemand auf der Rechnung hat. Klar ist so viel: Die Lostöpfe stehen. Real Madrid geht als Titelverteidiger in die neue Saison, während beispielsweise Eintracht Frankfurt als Neuling und Underdog ins Rennen geht. So stellt sich also die Frage, welche Teams die besten Chancen haben und welche bereits früh im Wettbewerb die Segel streichen müssen. Eine Analyse:
Real Madrid: Gewann das Starensemble des spanischen CL-Rekordsiegers die vergangene Kampagne vor allem durch enorme Willenskraft, mannschaftliche Geschlossenheit aber auch einen überragenden Individualisten Karim Benzema, so stellt sich dies im kommenden Wettbewerb wohl als in dieser Form schwer wiederholbar dar. Allerdings, und das sollte bei einem Verein wie Real Madrid spätestens nach der letzten Saison jedem bekannt sein: Nichts ist unmöglich. Wir reden hier schließlich vom Mythos des größten Vereins der Welt. Im Allgemeinen wird dem Team in meinen Augen dennoch unrecht getan, indem der Sieg ausschließlich auf Willenskraft und sehr viel Spielglück heruntergebrochen wird. Eine Mannschaft, die die ersten drei Teams der Premier League sowie den französischen Meister mit all seinen Superstars ausschaltet, ist im Endeffekt der verdiente Sieger. Das Team selbst wurde im Vergleich zum Vorjahr durch die Verpflichtung von Innenverteidiger Antonio Rüdiger sowie Mittelfeldtalent Aurelien Tchouameni vor allem punktuell verstärkt und ist trotz der Abgänge von Legenden wie Bale, Marcelo oder Isco personell nochmal als ein Stück variabler einzuschätzen. Einzig der Abgang von Casemiro wird zuerst einmal schwer zu verdauen sein und könnte die Titelchancen zunächst deutlich verringern. In puncto Taktik wird man sich ohne seinen langjährigen Sechser umstellen und variabler agieren müssen. Trainer Carlo Ancelotti setzte zumeist auf ein eingespieltes 4-3-3, an dem sowohl personell, als auch formationstechnisch nicht viel zu rütteln war. In der kommenden CL Saison wird sich das vermutlich etwas anders gestalten. Münden könnte es in einem 4-2-3-1 mit zwei Spielstarken Sechsern (Kroos und Valverde) und Modric als genialem Regisseur davor. Auch ein 4-4-2 mit Kroos und Modric in der Mittelfeldzentrale und auf rechts Valverde als permanente Unterstützung scheint möglich. Abgesehen vom System wird auch dieses Jahr wieder auf die Qualität der alternden Führungsspieler und die Fähigkeit ankommen, die Form wie in den letzten Jahren so häufig bis ins Frühjahr rein konstant abrufen zu können. Die internationale Konkurrenz hat ebenfalls nicht geschlafen und sich teils prominent verstärkt. Real wird in diesem Jahr trotz vorhandener individueller Qualität mehr brauchen als eine routinierte, willensstarke Mannschaft, um ein Wörtchen um den Henkelpokal mitreden zu können. Trotz allem: Real Madrid kann und will nicht aus seiner Haut, weswegen der Titel des Ziel ist und bleibt. Titelchancen: 40%
Bayern München: Der deutsche Rekordmeister aus München hat sich in diesem Transfersommer prominent verstärkt und ist so ein Team, mit dem zwangsläufig zu rechnen sein wird. Verstärkt hat man sich unter viel internationalem Aufsehen mit Starspielern wie Sadio Mané oder Mathijs de Ligt. Zusätzlich wurde der Kader mit Noussair Mazraoui, Ryan Gravenberch sowie Mathys Tel in der Breite sinnvoll ergänzt. Vor allem der flexible Schienenspieler Mazraoui könnte auf lange Sicht sicher als geheimer Königstransfer des bis dato arg in der Kritik stehenden Sportvorstandes Hassan Salihamidzic hervorgehen. Mit den Neueinkäufen agiert man definitiv kadertechnisch auf einem anderen Niveau als letzte Saison, in der Julian Nagelsmann in seiner Debütsaison eine Mannschaft übernehmen musste, die nicht wirklich seiner Idee von Fußball entsprach. Das spiegelte sich vor allem in den Ergebnissen wieder und soll diese Saison deutlich besser werden. Bei allen Lobeshymnen auf die Transferpolitik des Vereins haben auch Leistungsträger wie Niklas Süle und allen voran Robert Lewandowski den Verein verlassen. Vor allem im Angriff wird man sehen müssen, wie der Kader mit seinem zur Verfügung stehenden Spielermaterial das Fehlen von 40+ Toren auf lange Sicht kompensieren kann. Denkbar ist vor allem, dass ohne echten Stoßstürmer agiert und viel Wert auf die von Nagelsmann so geschätzte Variabilität gelegt wird. Geht diese Taktik auf und die Neuzugänge zünden wie erhofft, wird dieser Umstand eine Tatsache sein, die viele, wenn nicht alle namhaften Konkurrenten in Europas Spitze vor Probleme stellen wird. These: Der FC Bayern wird dieses Jahr deutlich zulegen und eine echte Gefahr für seine Kontrahenten darstellen. Das Halbfinale muss das Minimalziel sein. Titelchancen: 40%
Manchester City: Jahr für Jahr gefühlt dasselbe Prozedere: Manchester City wird im Vorfeld der Champions League Saison zum haushohen Favorit ausgerufen, um dann doch in der KO Phase wieder krachend zu scheitern. Entweder fällt Pep Guardiola fünf Minuten vor Spielbeginn eine neue selbstzerstörerische Taktik ein, oder man wird von einem angepeitschten schier unbesiegbarem Real Madrid in zwei Minuten erst demoralisiert und wenig später ganz ins Jenseits befördert. Trotz der Erfahrungswerte der vergangenen Jahre gilt das Team, das auch dieses Jahr wieder mit starken Transfers auffährt, für mich erneut als der Top Favorit der diesjährigen Champions League Saison. Der Verlust von Topstürmer Kun Agüero wurde mit einem Jahr Verspätung durch Erling Haaland kompensiert, der Abgang von Routinier und Kapitän Fernandinho durch den deutlich jüngeren und dynamischen Kalvin Phillips aufgefangen. Auch wenn die größte Aufgabe des Clubs aus der Industriestadt darin besteht, mit Königstransfer Haaland einen für Citys Spielsystem eher untypischen wuchtigen Stoßstürmer zu integrieren, der mit Schnelligkeit aus der Tiefe kommt, stellt das dann doch eher ein Luxusproblem dar, das die Mannschaft bei aller individueller Qualität früher oder später im Verbund mit Mastermind Guardiola lösen wird. Allein die Tatsache, dass Trainer und Mannschaft bereits seit mehr als einem halben Jahrzehnt zusammenarbeiten und so bestens aufeinander abgestimmt sind, lässt einen Triumph in der Champions League von Jahr zu Jahr wahrscheinlicher werden. Dass das Implementieren einer Spielidee oftmals ein längerfristiges Projekt ist und Geduld erfordert, hat man im Gegensatz zu anderen von potenten Geldgebern aus dem nahen Osten geführten Clubs in Manchester seit langer Zeit verstanden. Fazit: Citys Chancen mit einem noch besseren Kader als letzte Saison stehen trotz einiger nahmhafter Konkurrenten, die sich auf einem ähnlichem Niveau bewegen, so gut wie nie zu vor. Alles andere als der Titel wäre eine Enttäuschung. Titelchancen: 60%
FC Liverpool: Alles was man über ManCity sagt, könnte man fast 1:1 für den FC Liverpool übernehmen. Eingespielte Mannschaft, ein Trainer der seit Jahren mit allen Freiheiten schalten und walten darf wie er will und der große Erfolg gibt ihm ebenfalls Recht. Die Konstanz als auch die Dominanz, die die Reds seit Jahren an den Tag legen, ist beeindruckend. Fast so wie die vom blauen Konkurrenten aus Manchester. Zwar gingen die bedeutenden Titel in den letzten Jahren zwar öfter in Richtung der Skyblues, dennoch ist die Leistung des LFC nicht hoch genug anzusehen. So ist man auch auf nationaler Ebene dieses Jahr trotz Stolperstart in der EPL wieder als einziger ernstzunehmender Konkurrent für die Cityzens anzusehen und wird auch auf europäischer Ebene als einer der Favoriten erneut ein gewichtiges Wörtchen mitreden können. Reichte es letztes Jahr im Finale gegen Rekordsieger Real Madrid trotz Überlegenheit und Chancenplus am Ende nicht, wird man in diesem Jahr mit noch mehr Erfahrung im Rücken den nächsten Anlauf nehmen und das vierte (!) Champions League Finale in sechs Jahren in Angriff nehmen. Personell muss der Club von der Merseyside den Verlust von Afrikas Fußballer des Jahres und dem jahrelangen Aushängeschild Sadio Mané verkraften. Ein erster Ansatz fand sich in der Verpflichtung von Offensivmann Darwin Nunez von Benfica Lissabon, der im letztjährigen Viertelfinale beim Gastspiel an der Anfield Road bereits mehr als zu überzeugen wusste. Zudem stehen Trainer Jürgen Klopp mit Calvin Ramsay und Fabio Carvalho zwei Youngstars zur Verfügung, die die Mannschaft perspektivisch verstärken sollen. Der LFC setzt ähnlich wie Guardiolas Manchester City auf ein eingespieltes Kollektiv und zählt auch dieses Jahr wieder zum engsten Favoritenkreis. Der LFC hat das Finale wieder einmal fest im Blick. Titelchancen: 50%
FC Chelsea: Auch der FC Chelsea, in England vor allem durch das Wirken von Thomas Tuchel inzwischen als dritte Kraft anzusehen, wird dieses Jahr wieder den ein oder anderen Gegner mit seiner ausgereiften, variablen Spielanlage vor enorme Probleme stellen. Geht man aufgrund diverser Umstände, wie das Fehlen der absoluten Starspieler oder die im Vergleich zur Konkurrenz abgehende langjährige Eingespieltheit zwar nicht als einer der Topfavoriten ins Rennen, zeigte man dennoch auch in der vergangenen Saison erneut, das mit den Blues zu rechnen ist. Gegen den späteren Sieger aus Madrid reichte es trotz überragender Leistung im Rückspiel nicht zum Einzug ins Halbfinale. Personell muss der Verein den Abgang einiger Leistungsträger wie den von Abwehrchef Toni Rüdiger oder Kollege Andreas Christensen kompensieren, was durch die Verpflichtung von Kalidou Koulibaly und die eines weiteren Innenverteidigers aufgefangen werden soll. Neben Außenverteidger Marc Cucurella von Brighton gilt Raheem Sterling als Schlüsseltransfer und Hoffnungsträger in der Offensive, der dem Team noch mehre Variabilität verleihen soll. Schaffen es die Blues, sich weiter zu festigen und die vielen Schwankungen der Vorsaison zu vermeiden, könnte mit Wettbewerbsmomentum und mannschaftlicher Geschlossenheit möglicherweise was in Richtung CL Titel gehen. Titelchancen: 30%
Paris St. Germain: Auch in diesem Jahr wird die Startruppe aus Paris, beflügelt von der Vertragsverlängerung ihres Superstars Kylian Mbappé, lediglich am Gewinn des Champions League Titels gemessen werden. Zu groß sind die Enttäuschungen der letzten Jahre und zu gut das vorhandene Spielermaterial an der Seine. Erneut wurden nach sportlichem Misserfolg und dem abermaligen Verfehlen des Titels im Verein weitreichende Konsequenzen gezogen. Sportdirektor Leonardo wurde durch Luis Campos (Meistermacher in Monaco und Lille) ersetzt und Trainer Mauricio Pocchetino durch Campos´ alten Weggefährten Christophe Galtier ausgetauscht. Ein eingespieltes, aber eher unbekanntes Team ist als ein neuer Ansatz der Klubführung zu bewerten, den es bisher mit der Installierung von bekannten Startrainern so nicht gab. Abseits dessen verzichtete der Verein dafür dieses Jahr auf die Verpflichtung der ganz großen Namen, verstärkte sich beispielsweise mit Ex-Golden Boy Renato Sanches, Sturmhoffnung Hugo Etikike oder Mittelfeldtalent Vitinha vom FC Porto punktuell. Es wird darauf ankommen, wie Trainer Galtier, der im Vorfeld durchaus eine kompromisslose Gangart bei der Teamauswahl angekündigt hatte und die Ansammlung von Superstarts miteinander harmonieren. Ein Trainer der nach Leistung aufstellt und gewisse Tugenden von seinen Spielern fordert, kann seine Superstars so entweder begeistern und motivieren oder sie bei zu harter Herangehensweise schnell gegen sich aufbringen. Ein schmaler Grat, den so mancher Trainer in den letzten Jahren nicht zu meistern vermochte. Schafft man es, Messi, Mbappé, Neymar und Co. zu motivieren und die richtigen Ansätze zu wählen, ist diese Mannschaft definitiv als einer der Topfavoriten zu sehen. Wenn nicht, wird es trotz aller individueller Qualität auch dieser Jahr trotz extra engagiertem Mentaltrainer wieder schwierig. Titelchancen: 45%
FC Barcelona: Als letzter Verein und größter Außenseiter (das man das mal sagen würde) in dieser Aufzählung gilt es sich dem FC Barcelona zu widmen. Mit viel Aufmerksamkeit wurde in der Sommerpause das katalanische Wirken auf dem Transfermarkt beobachtet. Vor allem von der Konkurrenz, der man so manchen Spieler vor der Nase wegschnappte. Der FC Chelsea kann da mehr als nur ein Lied von singen. Das paradoxe daran: Eigentlich gilt man als hochverschuldet und war im Sommer doch einer der Big Spender in Europa. Warum das möglich ist und wie die Taktik von Laporta und Co. dahinter aussehen könnte, wird von uns in einem eigenen Blogartikel diskutiert. Erscheint demnächst Objektiv gesehen legte der Vereinen einen starken Transfersommer hin, weswegen er völlig zurecht in dieser Liste auftaucht. Spieler wie Lewandowski, Koundé (wenn er denn registriert werden kann) oder auch Raphinha werden den Verein definitiv weiter bringen und deutlich variabler werden lassen. Mit dem bereits vorhandenen Personal mit vielen Supertalenten wie Ansu, Gavi oder Pedri wird Trainer Xavi eine gute Mischung finden müssen, um den Verein auch international wieder konkurrenzfähig zu machen. Gelingt das und die Leistung ist wieder mit den eigenen Ansprüchen vereinbar ist der Verein definitiv wieder dauerhaft in den erweiterten Favoritenkreis aufzunehmen. Zunächst gilt es sich aber einzuspielen und ein realistisches Minimalziel auszugeben. Das Viertelfinale sollte aber definitiv drin sein. Titelchancen: 20%