Hansi Flick – https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/deed.de Foto: Steffen Prößdorf
Lesezeit: 3 Minuten
Dass Hansi Flick nun neuer Cheftrainer des FC Barcelona wird, gleicht einer faustdicken Überraschung, spiegelt aber auch sehr gut die fragwürdigen Entscheidungen des einst so stolzen Vereins aus Katalonien in den letzten Jahren wieder. Ein Kommentar zum lächerlichen Trainertheater im Camp Nou und dessen (sportliche) Folgen.
Wankelmütige Chefetage
Nach monatelangen Querelen, inklusive öffentlichem Flehen seitens Barças dubiosem Vereinspatriarch Joan Laporta, entschied sich Trainer Xavi Hernández Anfang April entgegen seines Entschlusses vom Januar nun doch, beim FC Barcelona zu bleiben. Die Welt in Katalonien, sie schien wieder in Ordnung, kämpften alle handelnden Personen im Verein doch stets für den Verbleib ihrer Vereinslegende.
Rund sechs Wochen später ist diese Überzeugung allerdings schon wieder passé. Auslöser dieses radikalen Umdenkens waren Xavis Äußerungen, von denen sich Barcelonas Präsident persönlich in der Ehre seines surreal errichteten Gedankenkonstrukts gekränkt fühlte. So beklagte sich der ehemalige Chefcoach in einer Presserunde über die infrastrukturellen Bedingungen und bat die Fans in der Entwicklung des Vereins weiter um Geduld. Zu viel für Laporta, der nun die Reißleine zog.
„Auslöser dieses radikalen Umdenkens waren Xavis Äußerungen, von denen sich Barcelonas Präsident persönlich in der Ehre seines surreal errichteten Gedankenkonstrukts gekränkt fühlte.“
Realitätsverlust á la Barça
Festzustellen ist, mit der Realität und dem Gespür für die richtigen sportlichen Entscheidungen hatten sie es in Barcelona in den letzten paar Jahren ohnehin nicht so. Mit Sicherheit lässt sich allerdings konstatieren, dass sich diese öffentlich mehr als fragwürdige Entscheidung nur in die Verfehlungen vergangener Spielzeiten einreiht. Sie wirkt wie ein perfektes Spin-Off der Bartomeu Ära, den Nachfolger Laporta bei Amtsantritt öffentlich demaskierte und scheinheilig Besserung gelobte.
Die Blaugrana lässt nun also ihren sportlich erfolgreichsten Cheftrainer der letzten Jahre ziehen. Eine Vereinslegende, die sich zu keinem Zeitpunkt zu schade dafür war, seinen FC Barcelona wieder aufzubauen und dahin zurückzuführen, wo er für ihn hingehört. Zugegeben, auch Xavi galt mit seinem öffentlichen Auftreten als streitbare Persönlichkeit, wurde aber ironischerweise genau dann gefeuert, wenn er mal der ungefilterten Realität Ausdruck verlieh. Ob sein Nachfolger damit besser zurecht kommen wird? Wohl eher nicht.
„Ohnehin lässt sich mit Sicherheit konstatieren, dass sich diese öffentlich mehr als fragwürdige Entscheidung nur in die Verfehlungen vergangener Spielzeiten einreiht.“
Flick ist gewarnt
Dieser „sucesor“ (dt. Nachfolger) ist Hansi Flick, von dem Präsident Laporta wohl glaubt, er könne Wunder vollbringen. Doch was hat der eigentlich zu befürchten, bezwingt der FCB in seinem ersten Spiel den Gegner mal nicht mit 8:2? Ob das der herrische Diktator überhaupt auf dem Schirm hat, oder ob er gerade zu sehr damit beschäftigt ist, potentiellen Neuzugängen vom stabilen Umfeld der Katalanen vorzugaukeln, ist dabei völlig unklar.
Flick jedenfalls wird noch früh genug spüren, auf welches Umfeld er sich da eingelassen hat. Denn der FC Barcelona, er ist längst nicht mehr das Aushängeschild Spaniens, geschweigedenn eine europäische Großmacht, mit der der Ex-DFB Trainer unter Beweis stellen kann, dass er auch ohne ein überragendes Kollektiv ein guter Trainer ist.
„Ob das der herrische Diktator überhaupt auf dem Schirm hat, oder ob er gerade zu sehr damit beschäftigt ist, potentiellen Neuzugängen vom stabilen Umfeld der Katalanen vorzugaukeln, ist dabei völlig unklar.“
Wacht Laporta aus seinem Traum wieder auf, wird er erkennen, dass Flick und das Stilmittel der Graugänse gar nicht so super sind, wie es der cholerische Klubpräsident im Vorhinein angenommen hat. Nur weil ein Trainer in einem besonderen Jahr das Sextuple gewinnt, ist er für den wie eine schlechte Kopie wirkenden Abklatsch von Reals Florentino Pérez noch sicher kein Allheilmittel für die Probleme Barças, die ohnehin öffentlich nicht benannt werden dürfen.
Der Fußball ist nun mal (k)ein PR-Geschäft, das von wankelmütig anmutenden Persönlichkeiten wie Laporta nach eigenen Wünschen geführt werden kann. Weder Hansi Flick kann dagegen etwas tun, noch sonst wer. Die Graugänse, die die Chefetage der Blaugrana mit einer weiteren Doku vermutlich auch noch zu Geld machen würden, wenn es denn irgendwie ginge, sie laufen Gefahr, über dem Spotify Camp Nou ganz schnell wieder den Sinkflug antreten zu müssen.