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Was hatten der FC Bayern München, Borussia Dortmund und Union Berlin vor dem vergangenen Wochenende alle gemeinsam? Alle drei standen sie punktgleich Seite an Seite an der Spitze der höchsten deutschen Fußballliga. Immer wieder wird von den Medien ein ganz spezieller „Dreikampf“ zwischen den genannten Mannschaften ausgerufen. Am wenigsten schmecken sollte dieser Vergleich dem FC Bayern, der in dieser Saison große Lücken zwischen Anspruch und Wirklichkeit aufweist und immer wieder Schwächephasen in sein Spiel einstreut. Der BVB, gefühlt in dieser Saison eigentlich von Beginn an hinterher, ist auf einmal wieder Bayern Jäger Nummer eins und sogar die in der Vergangenheit so oft gestellte Mentalitätsfrage scheint mittlerweile zugunsten der Borussen auszuschlagen. In einer Reihe mit den beiden Dauerkonkurrenten aus Deutschlands Fußballelite genannt zu werden, ist für Union Berlin dabei mehr als nur ein riesiges Kompliment, die Köpenicker sind (wieder einmal) die Überraschung schlechthin. Wieso der BVB sich durchaus Chancen auf die erste Meisterschaft seit 2012 ausrechen darf, weshalb der FC Bayern langfristig trotzdem nicht um seine Vormachtstellung fürchten muss, warum dieser Dreikampf in Wirklichkeit eigentlich gar keiner ist und vieles mehr erfahrt ihr in der folgenden Analyse des Meisterschaftsdreikampfes dieser Bundesligasaison.
Bundesliga spannend wie lange nicht
Ein Blick auf die sportlichen Fakten zeigt vor allem eins: Die Bundesliga ist so spannend wie seit Ewigkeiten nicht. Das offenbart uns nicht nur ein Verweis auf die nackten Zahlen mit drei Mannschaften in absoluter Schlagdistanz zueinander, sondern auch auf die Historie: Standen die drei genannten Vereine letzte Woche noch punktgleich auf den ersten drei Plätzen, gab es das in der Geschichte der Fußball Bundesliga zu so einem späten Zeitpunkt (22. Spieltag) noch nie. Bayern München und der BVB kennen diese Ausgangslage bereits, so kam es in den vergangenen Jahren immer wieder zu derartigen Duellen und entscheidenden Spitzenspielen zwischen den Dauerkontrahenten im deutschen Clasico. Dass auch Union Berlin dieses Jahr auf diese Art und Weise mitmischt, in der Hinrunde über mehrere Wochen sogar Tabellenführer war und der arrivierten Konkurrenz mächtig Druck macht, ist dabei allerdings neu. Das sich auch noch andere Vereine wie der SC Freiburg, RB Leipzig oder Eintracht Frankfurt mit wenigen Punkten dahinter weiterhin in Schlagdistanz zum genannten Spitzentrio befinden, unterstreicht aus einem weiteren Blickwinkel die neugewonnene Spannung in dieser Bundesliga Saison. Union geht wie bereits angedeutet nicht nur aufgrund des aktuellen Tabellenplatz 3 definitiv als Außenseiter und Herausforderer in dieses Rennen, sondern auch aufgrund anderer Faktoren wie der Kaderqualität und des Momentums, das sich für die über den Köpenicker befindlichen Mannschaften deutlich leichter aufbauen lässt als für die Berliner selbst. Das liegt vor allem an Faktoren wie der immensen Erfahrung sowie infrastrukturellen Voraussetzungen und könnte am Ende den Ausschlag zugunsten der Bayern geben, die zumindest mittel- bis langfristig nicht um ihre Vormachtstellung in der Liga fürchten müssen.
Meisterschaftskampf kurzfristiger Ausdruck sportlicher Missstände – Bayern langfristig nicht zu stoppen
Dass der FC Bayern das Gipfeltreffen am Sonntag deutlich mit 3:0 gewann, ist das Eine. Dass der Ausgang dieses Spiel auf weite Sicht aber sowas keinen Unterschied gemacht hätte, das Andere. Vor allem in Bezug auf den Gegner aus Berlin aber auch den BVB symbolisiert die aktuelle sportliche Situation (Bayern und Dortmund stehen nach 23 Spieltagen punktgleich an der Tabellenspitze) nichts weiter als eine kurzfristige Bestandsaufnahme. Klar ist, dass die Schwächen des Rekordmeisters in dieser Saison ungewöhnlich oft aufgezeigt werden und die Verfolger diese, im Vergleich zu den Vorjahren, sukzessive auszunutzen wussten. Dass die Konstellation an der Spitze so spannend daherkommt wie lange nicht, ist dabei definitiv eigenes Verschulden des FCB. So spielen in diesen Sachverhalt mehrere verschiedene Faktoren, wie der Führungsstil von Trainer Julian Nagelsmann, die spielerische Inkonstanz als auch die charakterlichen Schwächen der Spieler mit hinein, was bereits in einem früheren Artikel zu Beginn der Saison behandelt wurde. Doch zurück zur Aktualität, die immer wieder ausbleibenden Ergebnisse sind also genauso überraschend wie die in dieser Saison relativ beständigen Verfolger bzw. Nutznießer dieser temporären bayrischen Erfolglosigkeit. Doch das kurzfristige Bild, welches sich durch genannte Faktoren ergibt, ist keine langfristiges, denn, und so ehrlich müssen wir sein, Union Berlin spielt trotz fantastischer Arbeit aktuell klar über seinen Möglichkeiten und der BVB kann weder finanziell noch sportlich mittel- bis langfristig mit dem Konkurrenten aus dem Süden Schritt halten.
Ist der Dreikampf wirklich ein Dreikampf?
Wir kommen also bei näherer Betrachtung der Umstände mehr und mehr zu der Vermutung, dass der medial ausgerufene Dreikampf in Wirklichkeit gar keiner ist. Dies zeigt nicht nur der extreme Unterscheid zwischen Bayern und Union, denn wenn man zum Beispiel mal auf die kumulierten Kaderwerte beider Mannschaften blickt, lässt sich zwischen den Teams eine sagenhafte Differenz von (Bayern 995,70 Mio gegen Union 117,90 Mio) ganzen 877,8 Mio. € bilden. Sollte man kein Freund von derartigen Zahlenspielen sein, lohnt sich ebenso ein exemplarischer Blick auf die Mitgliederzahlen beider Vereine: Bayern München zählt mittlerweile als erster Club weltweit über 300.000 Mitglieder, während „Eisern Union“ insgesamt auf 49.152 Mitglieder (Stand 31.12.22) kommt. Bayern und der BVB im Zweikampf um die Meisterschale, das ist nicht neu, doch mit Union Berlin wird in diesem Jahr nicht zu rechnen sein. Zu klar wird in großen Spielen (0:5 in Leverkusen ; 0:3 in München) immer wieder der Qualitätsunterschied zwischen den Kontrahenten. Für die Bundesliga würde man sich in jedem Fall einen in der Vergangenheit so oft bemühten Vergleich zu Englands Überraschungsmeister Leicester City von 2016 wünschen, in der Realität wird aber wenn überhaupt wieder nur der BVB dazu fähig sein, die Bundesliga von der Münchener Dauerdominanz zu befreien.