Lesezeit: 5 Minuten
Da waren es nur noch Acht. Mit Brasilien, Argentinien, Niederlande, Portugal, Marokko, Kroatien, Frankreich und England stehen bei der WM in Katar somit noch 7 Favoriten sowie ein Überraschungsteam zur Auswahl. Vor allem die Partien der favorisierten Argentinier gegen starke Niederländer und auch das Gipfeltreffen der europäischen Giganten England und Frankreich gelten als die Highlights der bisherigen K.o.-Runde. Und während Rekordweltmeister Brasilien es mit routinierten Kroaten zu tun bekommt, fordert in Überraschungsteam Marokko mit den Portugiesen um Superstar Cristiano Ronaldo einen weiteren Favoriten zum Tanz auf.
Brasilien-Kroatien
Rekordweltmeister Brasilien bekommt es also wie bereits angeteasert mit dem aktuellen Vizeweltmeister Kroatien zu tun. Da beide Mannschaften nicht zuletzt in der jüngeren WM Historie zu den stärksten Mannschaften zählten, darf man sich hier in jedem Fall auf ein vielversprechendes Duell der unzähligen Superstars freuen. Während die Brasilianer um Neymar (PSG) im bisherigen WM Verlauf bis auf die Niederlage gegen Kamerun (0:1) im sportlich unbedeutenden letzten Gruppenspiel durchaus zu überzeugen wussten, hatten teils extrem behäbige Kroaten im Turnier deutlich mehr Schwierigkeiten. Auf brasilianischer Seite trumpften vor allem Spieler wie Richarlison (Tottenham) oder Vinicius Junior (Real Madrid) bei der bisherigen Endrunde extrem auf, wobei ersterem nach aktuellem Stand sogar das Tor des Turniers gelang. Alles in allem wirken die Südamerikaner wie eine in jedem Mannschaftsteil extrem gut ausbalancierte Einheit, die auch den nötigen Teamgeist mitzubringen scheint. Angeführt von Kapitän Neymar verfügt dieses brasilianische Team vor allem offensiv (Kein anderer WM Teilnehmer nominierte so viele Angreifer wie Trainer Tite) über extrem vielfältige Möglichkeiten. Neben Vinicius Junior oder Richarlison stehen beispielsweise mit Rodrygo (Real Madrid), Gabriel Martinelli (FC Arsenal) oder Antony (Manchester United) viele weitere vielversprechende Offensivkünstler im Aufgebot der Südamerikaner. Im erfolgreich absolvierten Achtelfinale gegen Südkorea (4:1) brachte Trainer Tite sogar das Kunststück fertig, all seine 26 Spieler bei der WM Endrunde einzusetzen. Die Kroaten hingegen bauen mit wenigen Ausnahmen im Grunde seit einigen Jahren auf den gleichen Kern, vor allem mit Kapitän Luka Modric (Real Madrid) als Herzstück des Teams. Setzte man sich in der Gruppenphase mal mehr mal weniger überzeugend gegen Belgien (0:0), Kanada (4:1) und Überraschungsteam Marokko (0:0) durch, verlief auch das Achtelfinale gegen bissige Japaner (3:1 n.E.) äußert glücklich für Modric und Co. Gegen spielerisch extrem starke und trickreiche Brasilianer wird sich die Defensive um den bisher als einen von wenigen überzeugenden Josko Gvardiol (RB Leipzig) eine Menge einfallen lassen müssen, denn Neymar, Vinicius und Co. werden nur gemeinsam zu stoppen sein. Insgesamt sind die Brasilianer wohl das klar favorisierte Team und es bräuchte schon eine überragende Leistung der bisher eher durchschnittlichen Kroaten, um den Sambatänzern aus Rio ernsthaft ein Bein stellen zu können. Tendenz: 70/30 Brasilien.
Niederlande-Argentinien
Das sportlich wohl mit am interessantesten anzusehende Duell findet am heutigen Freitag um 20 Uhr im Lusail Iconic Stadium zwischen den überraschend starken Niederländern und Lionel Messis (PSG) Argentinien statt. Während die deutschen Nachbarn nahezu unfallfrei mit 7 Punkten als Erster aus der Gruppenphase kamen, taten sich die Argentinier auch nach der sensationellen Auftaktniederlage gegen Saudi-Arabien (1:2) in ihrer Gruppe extrem schwer. Dass man schlussendlich als Erster aus der extrem engen Gruppe C hervorgehen konnte, lag zu großen Teilen auch an der schwachen Konkurrenz aus Polen und Mexiko. Die „Gauchos“ werden dabei wieder einmal extrem abhängig sein von ihrem Superstar Lionel Messi, ohne dessen Tore man wohl nicht einmal die K.o.-Phase erreicht hätte. Neben diesem taten sich im Verlauf des Turniers mit City Stürmer Julián Álvarez sowie Enzo Fernández (Benfica) vor allem zwei Youngstars extrem positiv hervor. Trainer Scaloni wird ohne Zweifel gegen einen starken Gegner einen Kapitän in Bestform sowie eine taktisch reife Mannschaftsleistung benötigen, um in die Runde der letzten Vier einziehen zu können. Die Niederländer kommen auf ihrer Seite mit Shootingstar Cody Gakpo (PSV) ebenfalls mit einem der vielversprechendsten Spieler des Turniers daher. Auch das hochveranlagte Mittelfeld um Frenkie de Jong (FC Barcelona) sowie die Defensive der „Elftal“ zeigte sich im bisherigen Turnierverlauf extrem sicher und abgezockt. Im Endeffekt wird es in einem Duell auf diesem Niveau auf die kleinsten Kleinigkeiten ankommen. Wie performt Messi? Erhält er die nötige Unterstützung seiner Mitspieler? Liefern die niederländischen Allrounder weiter so stark ab? Auf all das und noch viel mehr wird es ankommen, abgesehen davon bietet dieses Spiel so viele Unwägbarkeiten, dass aufgrund des sehr ähnlichen Niveaus der beiden Teams ein Sieger fast unmöglich vorauszusagen scheint. Tendenz: 50/50. Es könnte bis zum Äußersten gehen
Portugal-Marokko
Bei diesem Duell kommt es für die Marokkaner wie schon im Achtelfinale gegen Spanien (3:0 n.E.) gegen die favorisierten Portugiesen zum Duell der absoluten Gegensätze. Während sich die Nordafrikaner um ihre Starspieler Achraf Hakimi (PSG) oder Hakim Ziyech (FC Chelsea) praktisch schon das ganze Turnier über in der Rolle des Underdogs wiederfinden, zählen die Portugiesen definitiv zum erweiterten Favoritenkreis. Marokko wird im Spiel gegen die Südeuropäer um Cristiano Ronaldo definitiv mit ihren zahlreichen Fans im Rücken wieder das Herz auf dem Platz lassen und bis zum Schluss leidenschaftlich um den ersten Halbfinaleinzug der Geschichte kämpfen. Zuzutrauen ist es ihnen allemal. Die Portugiesen hingegen finden sich in einer völlig anderen Rolle wieder und wollen gegen einen nicht zu unterschätzenden Gegner den ersten Halbfinaleinzug seit 2006 eintüten. Die größte offene Frage stellt sich Trainer Fernando Santos in Bezug auf seine Stürmer Cristiano Ronaldo und Dreierpacker Gonçalo Ramos (Benfica Lissabon). Letzterer überzeugte gegen die Schweiz leistungstechnisch auf ganzer Linie und wird wohl auch gegen die Marokkaner wieder zum Einsatz kommen. Fraglich ist, ob sich daneben ein Platz für Ronaldo finden lässt, möglich wäre eine Rückversetzung von Bruno Fernandes ins Mittelfeld oder hinter die Spitzen, um einen Einsatz des fünfmaligen Weltfußballers in vorderster Front eventuell auch neben Shootingstar Ramos zu ermöglichen. Gegen tiefstehende Underdogs könnte ein eiskalter Killer wie CR7 definitiv eine enorme Waffe darstellen, wie sie den ausgeschiedenen Spaniern in vorderster Front im Achtelfinale abging. Insgesamt wohl ein Spiel mit Überraschungspotential, das trotzdem im Vorfeld zu Gunsten Portugals auszulegen ist. Tendenz: 60:40 Portugal.
Frankreich-England
Bei diesem Duell handelt es sich wohl um das auf dem Papier ausgeglichenste von allen. Während die Franzosen angeführt von einem überragenden Superstar Kylian Mbappé bei dieser WM bisher nahezu immer zu überzeugen wussten, sind die Engländer mit Shootingstar Jude Bellingham bisher ohne Niederlage durchs Turnier gekommen. Nun stehen sich diese europäischen Schwergewichte also im Viertelfinale gegenüber. Vieles wird darauf ankommen, wie die Teams es jeweils im Verbund schaffen, die geballte Angriffskraft des Gegenüber unter Kontrolle zu bekommen. Die Offensive der Franzosen, die abgesehen von ihrem bisherigen Toptorschützen auch noch aus Unterschiedsspielern wie Dembelé (FC Barcelona), Griezmann (Atlético Madrid) oder Giroud (AC Milan) besteht, kommt da vielleicht sogar fast noch ein bisschen stärker daher. Eins der Schlüsselduelle im Spiel wird wohl das auf der linken Seite sein, bei dem es Rechtsverteidiger Kyle Walker (Manchester City) mit Frankreichs Kylian Mbappé zu tun bekommt. Aber auch vor Englands Harry Kane (Tottenham Hotspurs) sollten sich umgekehrt die Franzosen um Dayot Upamecano (FC Bayern) mehr als nur in Acht nehmen. Alles in allem bietet dieses Duell absolute Hochspannung auf unglaublich vielen Ebenen, das Duell Abwehr gegen Angriff ist da nur ein Schauplatz von vielen. Hier wird es sehr wahrscheinlich ein enges Spiel geben, in dem beide Teams versuchen werden, ihren Spielstil durchzudrücken. Die Franzosen mit ihrem auf individuelle Qualität ausgelegten Offensivspiel gegen Engländer, die versuchen werden, aus einem breiten, offensiven Mittelfeld heraus ihre Topstürmer in Szene zu setzen. Definitiv schwer zu prognostizierendes Duell, mit leichten Vorteilen für bisher vielleicht ein Stück weit mehr überzeugende Franzosen. Tendenz: 55/45 für einen Sieg Frankreichs. Vielleicht auch erst nach Verlängerung oder Elfmeterschießen.