Erneutes VAR Desaster in Frankfurt – Ein Kommentar

Nicht erst seit dem Bundesliga Topspiel zwischen Eintracht Frankfurt und Borussia Dortmund am vergangenen Samstag erhitzen sich die Gemüter wieder einmal aufgrund des Videobeweises. Zur Erinnerung: Es lief die 42. Minute, als der Dortmunder Karim Adeyemi den einschussbereiten Frankfurter Angreifer Jesper Lindstrøm durch einen klaren Schubser aus dem Gleichgewicht brachte und ihn so am Torerfolg hinderte. Im Anschluss kochte es selbstverständlich vor allem im Lager der Frankfurter, während sogar die Dortmunder und auch Übeltäter Adeyemi die Fehlentscheidung offen zugeben. Wieder einmal stand der Schiedsrichter sowie der Video Assistant Referee im Kölner Keller im Fokus der Öffentlichkeit und zeigte sich erneut fehlbar. Der Unparteiische Sascha Stegemann und sein Team mussten sich so vor allem wegen besagter Szene im Anschluss des Spiels den unangenehmen Nachfragen der Medien stellen. Doch das alles hätte ganz einfach verhindert werden können, wenn man in Köln nicht andere Pläne gehabt hätte. So ließ der VAR die Szene zum Unverständnis von so ziemlich jedem im Stadion und an den TV Bildschirmen ungeahndet, was somit ein schlechtes Licht auf Schiedsrichterteam, die Entscheidungsfindung sowie deren generelle Kommunikation wirft, wobei eine Partei klar das Versäumnis auf ihrer Seite hat. Warum die Schuld in diesem Fall klar beim VAR und nicht unbedingt beim Unparteiischen auf dem Feld zu suchen ist, dazu später mehr.

VAR Richtlinien sind eigentlich klar definiert

Der VAR ist nun mal ein Instrument, um dem Schiedsrichter auf dem Feld bei kniffligen Szenen bzw. klaren Fehlentscheidungen Hilfe zukommen zu lassen. Dazu war der Videobeweis jedenfalls ursprünglich mal eingeführt worden. Der DFB formuliert die genauen Rahmenbedingungen zu einem möglichen Eingriff während des Spiels durch den VAR auf seiner Internetpräsenz wie folgt: „Voraussetzung für ein Eingreifen des Video-Assistenten ist jeweils, dass nach seiner Einschätzung eine klare und offensichtliche Fehlentscheidung des Schiedsrichters auf dem Platz vorliegt. Ist eine solche, klar falsche Wahrnehmung des Schiedsrichters auf dem Platz nicht gegeben, darf der Video-Assistent nicht eingreifen“ (Quelle: DFB.de). Heißt also im Klartext, dass Sachverhalte, die der Spielleitung auf dem Platz entgehen und grob fehlentschieden worden sind, in Köln gesichtet und richtiggestellt werden sollen. Und genauso hätte das auch in Frankfurt am Samstagabend geschehen müssen. Fakt ist, dass das Vergehen von Adeyemi ein klares Foul war und somit mit Elfmeter und Gelb hätte bestraft werden müssen. Aufbauend darauf den weiteren Spielverlauf bzw. das Endergebnis zu prognostizieren ist müßig, so weiß man ohne Blick in Glaskugel weder, ob die Frankfurter den Elfmeter verhandelt hätten, noch wie die Reaktion der Dortmunder ausgefallen wäre. Der Spielverlauf wäre allerdings in jedem Fall ein anderer gewesen und hätte die Dynamik des Spiels maßgeblich beeinflusst.

Stegemann gibt klare Fehlentscheidung im Kreuzverhör zu

Im Anschluss an die Partie im Deutsche Bank Park stellte sich Sascha Stegemann den Medien und gab seine Sicht der Dinge zu Protokoll. Laut dem 37-Jährigen war die Entscheidung auf Handspiel von Lindstrøm und dem damit in Zusammenhang stehenden nicht gegebenen Elfmeter für Eintracht Frankfurt eine grobe Fehlentscheidung, die der Schiedsrichter, also er, auf dem Platz falsch bewertet hat. Soweit so gut, denn im Anschluss an die Szene folgte der obligatorische Check des Videoassistenten. Anstatt allerdings folgerichtig auf Elfmeter für die Gastgeber zu entscheiden, gab es aus Köln die Rückmeldung, das „die Situation gecheckt und nicht als klar und offensichtlich falsch eingestuft“ werden kann. Eine grobe Fehleinschätzung des zuständigen VAR Dr. Robert Kampka, der dem Spiel eine dramatische Wendung verlieh. Auch aufgrund dessen spreche ich den Schiedsrichter hier von größerer Schuld frei, denn vor allem im Zeitalter des Videobeweises sollte es eigentlich möglich sein, derartige Fehlentscheidungen, die in der Hitze des Gefechts getroffen werden, zügig zu prüfen und richtigzustellen. Der Referee hatte einen persönlichen Eindruck, der falsch war und hätte korrigiert werden müssen. Passiert das, ist alles halb so wild, so ist es allerdings nicht weniger als ein handfester Skandal, der wieder einmal gnadenlos die Lücken des Systems offenlegt und zur Veränderung oder Eliminierung der praktizierten Anwendung anregt. In meinen Augen ging mit der Einführung des VAR vor mehr als fünf Jahren auch die geplante Entlastung der Schiedsrichter einher, die vorher bei jeglichen Fehlentscheidungen den gnadenlosen Medien sowie wütenden Vereinsfunktionären ausgeliefert waren. In der Theorie also eine gute Idee, allerdings ist die praktische Umsetzung wie so oft nochmal etwas anderes. Beispielsweise mit solchen Entscheidungen, wie der in Frankfurt macht man den Unparteiischen nur noch mehr zur Zielscheibe, während die Verantwortlichen im Kölner Keller weit weg von den Geschehnissen sitzen und die Aufgaben und Anforderungen des Jobs nicht erfüllen. Der Videobeweis soll den Fußball gerechter machen, tut das aber noch zu oft einfach nicht.

Umsetzung spricht gegen Innovation

Noch Interessanter war der Auftritt Stegmanns im Doppelpass. Es ehrte ihn sehr, dass er die klaren Fehler in Ablauf und Kommunikation zugab und somit erneut die Schuld bei sich und seinem Gespann suchte. Was dann allerdings doch verwunderte, war die Aussage, dass der Check der umstrittenen Szene vom VAR „zu früh abgebrochen wurde“ (Quelle: Sport1). Doch wie kann das sein? Wie Stegemann weiter ausführte, zog der zuständige Videoassistent Kampka nur vier Standardkameras zu Rate, auf weitere Perspektiven wurde somit (bewusst!) verzichtet. Was wirft das also für ein Licht auf das Ganze? Es wird in einem öffentlichen Auftritt des zuständigen Unparteiischen klar und unvermittelt zugegeben, dass es weitere Möglichkeiten zur Prüfung gegeben hätte, die allerdings nicht für nötig befunden wurden. Die Frage, ob der DFB hier Schadensbegrenzung betreibt oder der Referee bloß das dringende Verlangen verspürte, Licht ins Dunkel zu bringen, ist unwichtig und vermutlich auch hinterher nicht mehr sonderlich relevant. Was bleibt, sind die Entscheidungen und deren Auswirkungen und die sind wieder einmal höchst fragwürdig und sollten vor allem dem DFB, seinem Projekt und dem ganzen Schiedsrichterwesen zu denken geben.

Videobeweis muss mindestens modifiziert werden

Allein aufgrund der jüngsten Eindrücke des vergangenen Wochenendes und der damit erneut gestarteten Debatte, wie in Zukunft mit dem Videobeweis verfahren werden sollte, wird klar, dass der VAR in seiner derzeitigen Anwendungsweise untragbar ist. Der DFB sollte sich grundsätzlich mal Gedanken über die Auslegung einer klaren Fehlentscheidung machen, die letztendlich immer der subjektiven Wahrnehmung des zuständigen Videoassistenten unterliegt. Ist es also von Verbandsseite gewollt, dass ein und die gleiche Situation von verschiedenen Individuen unterschiedlich bewertet wird? Im täglichen Leben kein Problem, im Millionengeschäft Fußball allerdings undenkbar, denn beim Vorhaben, den Sport gerechter zu machen fließt auch mit ein, eine Gleichbehandlung aller zu gewährleisten. Es gibt so viele Ansätze, das ganze Prozedere transparenter und gleichzeitig fairer zu machen, das es schon fast wehtut. Beispielsweise könnte man ein auf drei Mal begrenztes Challengerecht für Trainer einführen, die auf Intervention eine eingehende Prüfung der strittigen Szene anregen könnten. Des weiteren wäre es möglich, mehr ehemalige Schiedsrichter als Video Assistant Referees einzusetzen und auf deren Erfahrungsschatz zurückzugreifen. Das know-how wäre in jedem Fall vorhanden. Auch die (inoffizielle) Blacklist für Topschiedsrichter, die nicht als VAR fungieren dürfen, weil öffentlich zu meinungsstark auftreten, könnte überdacht werden und dafür sorgen, mehr Spielraum auf dieser Ebene zu haben. Der Videobeweis ist so wie er aktuell ist ein fehlgeschlagenes Konstrukt, das den Fußball nur noch mehr von seinen ursprünglichen Werten wie Fairness, Sportsgeist und Respekt wegtreibt. Stattdessen wird er zu einem virtuellen Spielfeld für individuelle Entscheidungen gemacht, die im Zweifel aufgrund fehlender oder gar nicht erst in Anspruch genommener Kameraperspektiven dafür sorgen, dass eine Mannschaft entgegen des eigentlichen Wettbewerbsgedanken klar benachteiligt wird. So viel also zu Theorie und Praxis und gleichem Recht für alle. Zum Schluss würde ich die ganze Thematik gerne mit den Worten Rouven Schröders schließen, wenn ich sage: „Gute Besserung, lieber VAR“.

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