Warum Real Madrid spanischer Meister wird

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Das Titelrennen in Spaniens La Liga ist so offen wie lange nicht mehr. Dass das so ist, ist dabei ganz allein dem FC Barcelona zu verdanken, der Real Madrid nach Jahren der Konkurrenzlosigkeit nun auch in der heimischen Liga wieder einmal so richtig fordert. Rein objektiv gesehen mögen so einige Fakten wie die überragende Form der Katalanen oder das Acht-Punkte Polster für Barca sprechen, dennoch mache ich mir um den Gewinn der Meisterschaft keine allzu großen Sorgen. Madrid ist eben Madrid und jeder, der sich auch nur in den zurückliegenden zwölf Monaten mit dieser Mannschaft beschäftigt hat weiß, was dieser Satz bei näherer Betrachtung für eine Bedeutung entfacht. Weil ich das aber im folgenden näher ausführen möchte und damit gleichzeitig ein für alle mal klarstelle, warum der spanische Meister auch 2023 aus der spanischen Hauptstadt kommen wird, widme ich mich im diesem Teil unserer ganz eigenen LaLiga Saisonprognose meiner ganz persönlichen Sicht auf die Dinge bei Rekordmeister Real Madrid, die unter anderem Parameter wie die aktuelle Form, die Kaderqualität sowie eine detaillierte Umfeldanalyase mit einschließt. Ich wünsche allen (und vor allem dir lieber Oskar) viel Spaß dabei, vamos!

Aktuelle Form – Die Antwort liegt zwischen den Zeilen

Nüchtern betrachtet mag die aktuelle Form in LaLiga ganz klar für den FC Barcelona sprechen. Von den letzten elf Spielen gewannen die Katalanen zehn, dabei blieben sie sogar ganze acht Mal ohne Gegentor. Real Madrid hingegen strauchelte in den letzten elf Spielen des öfteren und gewann nur deren sechs. Dennoch sprechen aus meiner Sicht verschiedene Dinge und Entwicklungen zwischen den Zeilen eine deutlich andere Sprache, als es auf den ersten Blick scheint. Betrachten wir uns beispielsweise mal ausschließlich die letzten fünf Pflichtspiele vor der heutigen Niederlage gegen die RDC Mallorca (die für eine Betrachtung der aktuellen Form aufgrund des geringeren Zeitraums deutlich besser geeignet sind), fällt sofort ins Auge, dass die Königlichen vier dieser fünf Partien siegreich gestalten konnten und dabei im Gegensatz zur Konkurrenz größtenteils extrem anspruchsvolle Hürden zu nehmen hatten. Einem 2:3 bei der „Remontada“ (dt. Aufholjagd) gegen das gelbe U-Boot aus Villareal folgte ein 2:0 Erfolg ins Bilbaos Hexenkessel, danach siegte man zu Hause im Pokal gegen Atlético (3:1 n.V.) und schlug nach einem äußerst unglücklichen 0:0 gegen den Tabellendritten Real Sociedad den FC Valencia zu Hause mehr als überzeugend mit 2:0. Was dabei zusätzlich ins Auge fällt ist, dass Madrid vier der letzten sechs Ligaspiele allesamt ohne Gegentor absolvierte und defensiv immer stabiler zu werden scheint. Bezeichnend dafür ist, dass auch bei der Niederlage gegen die Mallorquiner am Sonntag (0 Torschüsse) das Gegentor durch einen eigenen Spieler (Nacho) erzielt wurde. Doch dem nicht genug, denn man spielt seit Wochen mit einer Viererabwehrkette, die sich aufgrund der gravierenden Verletzungssorgen quasi von selbst aufstellt. Auf links muss der um den Golden Boy Award 2022 (bester Nachwuchsspieler des Jahres) gebrachte Rohdiamant Eduardo Camavinga aushelfen, während in der Mitte Toni Rüdiger und Éder Militão neben Aushilfsrechtsverteidiger Nacho verteidigen. Jetzt stellt sich mir die Frage, auf welches Level die neu gewonnen Defensivstabilität erst gehoben wird, wenn auch noch Leistungsträger wie David Alaba oder Dani Carvajal dauerhaft zurückkehren? Doch nicht nur mannschaftlich zeigt die Formkurve stark nach oben, denn auch individuell steigerten sich einige Akteure in Weiß in den letzten Wochen enorm. Paradebeispiel dafür ist der aktuell überragend aufspielende Dani Ceballos, der es versteht, mit seinem unnachahmlichen Einsatz und dem nötigen Kampfgeist voranzugehen und derzeit sogar drauf und dran ist, Legende Luka Modric dauerhaft auf die Bank zu verdrängen. Doch nicht nur der 26-Jährige Andalusier, sondern auch der zuvor etwas wankelmütige Vinicius Junior oder Supertalent Eduardo Camavinga kommen wieder immer besser in Fahrt. Spätestens wenn Anfang März die entscheidenden Clasico Wochen beginnen, wird die Mannschaft von Carlo Ancelotti in absoluter Topverfassung sein, da bin ich mir ganz sicher. So ist es in meinen Augen fast schon begrüßenswert und zugleich beängstigend, dass Real Madrid seine Schwächephase durch perfekte Planung in den „Vorbereitungsmonaten“ Januar/Februar hinter sich bringt und Barca genau dann groß aufspielt, wenn es am Ende keinen mehr interessieren wird. Dass der stolze Club aus Katalonien in diesem Zeitraum nur einen Acht-Punkte Vorsprung rausholen konnte, freut mich umso mehr. Reals Zeit beginnt nämlich jetzt!

Kader – Real klar überlegen

Geht man mal weg von der aktuellen Form und blickt auf die einzelnen Mannschaftsteile, so sehe ich Real auch hier in allen Belangen individuell klar besser aufgestellt. Doch alles der Reihe nach, am besten beginnen wir im Tor. Dort steht bei den Königlichen mit Thibaut Courtois der aktuelle Welttorhüter im Kasten, der auch in dieser Saison wieder konstant zu überzeugen wusste und sein überragendes Jahr 2022 mit der Berufung ins FIFA Team of the Year krönte (Zum Artikel). Noch Fragen? Danke Marc-André, du darfst dich wieder setzen. In der Abwehr glänzt Real vor allem durch seine Routine, denn mit einer Defensive, die alleine zusammengerechnet 22 Champions League Titel in der Vitrine stehen hat, ist schon viel gesagt. Doch auch beim Blick auf die einzelnen Positionen wird der Qualitätsunterschied zwischen den beiden Teams schnell deutlich. Auf rechts verteidigt in Dani Carvajal, wenn fit, ein absoluter Routinier und Mann von Weltklasseformat, der dazu in der Lage ist, so ziemlichen jeden Offensivspieler der Welt durch sein enormes Spielverständnis als auch seine Cleverness auszuschalten. Barca, das in Sergi Roberto (der eigentlich Mittelfeldspieler ist) nur über einen nominellen Rechtsverteidiger verfügt und häufig mit Koundé oder Araújo antritt, kann dort in keinem Fall mithalten. Auch in der Mitte verteidigen bei Real mit Éder Militão und David Alaba zwei absolute Weltklasseakteure, die durch ihr Leistungsvermögen sowie ihre große Erfahrung so ziemlichen Spieler alt aussehen lassen. Auf links steht Ferland Mendy dem jungen Alejandro Balde sowie dem Routinier Jordi Alba gegenüber. Wohl die einzige Position, über die man hier ernsthaft streiten könnte. Im Mittelfeld glänzen mit Toni Kroos, Luka Modric und Aurélien Tchouaméni zwei absolute Legenden sowie der Thronfolger von Vereinslegende Casemiro. Ein größeres Lob gibt es dabei nicht, was auch die 80 Millionen Ablöse, die im Sommer an die AS Monaco flossen, eindrucksvoll beweisen. Barcas Mittelfeld dagegen glänzt eher durch seine jungen Talente wie Gavi und Pedri, die ohne Zweifel in ihrem Alter beeindruckendes leisten und zusammen mit Sergio Busquets ein souveränes Dreiermittelfeld bilden. Real hat junge Spielertypen dieser Qualität mit Camavinga und Valverde allerdings ebenso in seinem Kader, doch reicht es aufgrund der riesigen individuellen Klasse von Kroos und Modric noch nicht zu einem Platz in der ersten Elf. Spieler wie Gavi oder sein Kumpel Pedri können sich also glücklich schätzen, dass man in Barcelona von bezahlbaren Spielern dieser Qualität auf absehbare Zeit nur träumen kann. Und auch im Angriff sieht das Bild nicht anders aus: An vorderster Front stürmt in Katalonien ein gewisser Robert Lewandowski, ein sicherer Punkt für Barca sollte man meinen. Wäre es auch, wenn in Madrid mit Karim Benzema nicht der aktuelle Weltfußballer unter Vertrag stehen würde, schade eigentlich für Dancing-Robert. Auf den Außenbahnen zeigt sich ein ähnliches Bild, denn mit Vinicius Junior und Fede Valverde, der wie gesagt aufgrund des dichten Gedränges im Mittelfeld häufig auf rechts ausweichen muss, verfügen die Blancos über zwei Spieler, die im vergangenen Jahr das Champions League Finale gegen den FC Liverpool entschieden haben. Allerdings hinkt dieser Vergleich ein wenig, denn ein Endspiel in der Königsklasse bestritt der FC Barcelona zuletzt 2015. Da waren Gavi und Pedri übrigens gerade einmal 10 bzw. 12 Jahre alt. Auch in zweiter Reihe verfügt Real Madrid mit Rodrygo, Asensio oder Dauerreservist Hazard über enorme Qualität, die im Zweifel von der Bank mal eben im Alleingang in zwei Minuten ein Champions League Halbfinale entscheidet. Barca hingegen tritt mit Raphinha, Edelreservist Ferran Torres, Talent Ansu Fati oder Streikprofi Ousmane Dembélé an, der ohne Zweifel auf dem Platz deutlich mehr Qualität besitzt als außerhalb. Aber auch hier hinkt der Vergleich wieder, denn ein CL Halbfinale bestritt der dieses Jahr zum zweiten Mal in die Europa League abgestiegene FCB zuletzt im Jahr 2019 gegen Divock Origi und den FC Liverpool.

Trainer und Umfeld – Ancelotti und Vereinsführung überzeugen durch Kontinuität

Kommt man auf das Vereinsumfeld zu sprechen, fällt in Madrid als erstes ein Name ins Auge, denn auf der Trainerbank nimmt in der spanischen Hauptstadt mit Carlo Ancelotti eine absolute Legende Platz. Der Italiener gewann bereits vier Mal die UEFA Champions League und schaffte es im vergangenen Sommer als erster Trainer aller Zeiten, in allen fünf europäischen Topligen Meister zu werden (Juventus, Chelsea, PSG, Bayern, Real). Auch ansonsten ist Don Carlo als erfahrener Fachmann in Madrid nicht mehr wegzudenken. So durchlief der früher als sturer Pragmatiker bekannte Kaugummifetischist in den vergangenen einundhalb Jahren einen Entwicklung, die nicht nur in Madrid die wenigsten für möglich gehalten haben. Er glänzte vor allem in der so überragenden CL Ko.-Phase mit unzähligen Aufholjagden gegen PSG, Chelsea und ManCity durch taktisch extrem clevere Kniffe und entschied durch sein glückliches Händchen bei Einwechslungen mehrere Partien maßgeblich mit. Auch an der Rotation hat der 63-Jährige inzwischen aufgrund der enormen Kaderqualität des Teams Gefallen gefunden. Nach 1,5 Jahren der spielerischen Stagnation unter Erfolgstrainer Zinedine Zidane hat „Carletto“ den Glanz zurückgebracht und einige Spieler im Kader der Blancos auf das nächste Level gehoben. Stellvertretend dafür zu nennen ist ganz klar die Entwicklung von Vinicius Junior, den Ancelotti durch absolutes Vertrauen und die nötigen Freiheiten im Offensivspiel vom talentierten Problemkind zum absoluten Weltstar reifen lies. Wirkte „Vini“ unter Zidane meist gehemmt und selten gesetzt, nahm seine Entwicklung unter dem italienischen Trainerroutinier eine nicht mehr für möglich gehaltene Wendung, die spätestens mit dem Siegtor im Champions League Finale in der absoluten Weltspitze gipfelte. Auch Stars wie Federico „Fede“ Valverde, sowie ehemalige Problemkinder wie Dani Ceballos wurden von „El Míster“ leistungstechnisch auf ein komplett neues Level gehoben. Im Vergleich zum oberflächlich taktisch variabler wirkenden Trainernovize Xavi, ist das große Plus von Ancelotti seine enorme Routine sowie die Art und Weise der Menschenführung, die ihn als Trainer zu einem echten Unikat machen. Blickt man ins erweiterte Vereinsumfeld, besitzt Madrid in Florentino Perez nicht nur einen Präsidenten, der durch sein enormes Geschick mittlerweile mit Vereinslegende Santiago Bernabeú verglichen werden kann, sondern durch sein finanziell umsichtiges Handeln auch dafür sorgte, dass Real Madrid im Jahr 2023 nicht nur nettoschuldenfrei ist, sondern sogar die Rechte an Stadion und dem hauseigenen Vereinssender behalten konnte. Grüße nach Barcelona!

Internationale Stärke – Real Madrid weiter das Nonplusultra in Europa

Ich denke dieser Punkt ist noch weniger diskutabel, als die Finanzlage des ewigen Rivalen. Ich möchte nicht unfair sein, weshalb ich nicht groß auf die Errungenschaften vergangener Jahre eingehen werde. Dass Real Madrid in den letzten neun Jahren ganze fünf Mal die UEFA Champions League gewann, ist Geschichte und auch der Triumph von Paris gegen den FC Liverpool ist nun schon wieder ganze sieben Monate her. Betrachten wir uns den Punkt „internationale Stärke“ nun also mal aus der aktuellen Sicht heraus, sind die Ansprüche der Blancos in diesem Wettbewerb nach wie vor die höchstmöglichen. Auch in diesem Jahr gilt nichts anderes als der CL Triumph und dieser scheint trotz der starken Konkurrenz wieder absolut im Bereich des Vorstellbaren zu liegen. Im Verein ist man überzeugt von seinem Spielermaterial und auch die Konkurrenz kennt, spätestens seit der letzten Saison, die Stärken der Blancos ganz genau. Vom Kader her sind die Madrilenen wie bereits erwähnt sowieso auf allen Positionen absolut weltklasse besetzt. Auch in Barcelona liegt der Fokus darauf, den internationalen Wettbewerb, in dem man noch vertreten ist, zu gewinnen. Dass es dabei allerdings nicht um die Jagd nach dem begehrten Henkelpott geht, sondern nur um die UEFA Europa League, ist hinlänglich bekannt. Beide Teams sind somit weiter in drei Wettbewerben gefordert, die ihnen auf unterschiedliche Weise, dem jeweiligen Leistungsniveau angepasst, alles abverlangen werden. Für Real ist dieser Umstand aufgrund der immensen Erfahrung mit solchen Drucksituationen allerdings nichts Neues mehr und sollte bei einem Weiterkommen gegen den FC Liverpool einen zusätzlichen Push verleihen. International ist man eben als amtierender Titelverteidiger nach wie vor das Nonplusultra und wird durch das Zusammenspiel der einzelnen Ebenen weiter ein Team sein, dessen unbändige Stärke niemals wegdiskutiert werden kann.

Fazit – Der spanische Meister heißt auch 2023 Real Madrid

Wie ihr sehen konntet, ist mein Optimismus trotz vermeintlich schlechter Ausgangslage weiter ungebrochen, da ich auf die Stärken Madrids vertraue und aus unzähligen Jahren als Fan dieser Mannschaft weiß, wie schnell sich ein gewisses Momentum in diesem schnelllebigen Fußballgeschäft ändern kann. Real wird weiter unbeirrt seinen Weg gehen und durch bekannte Stärken wie Erfahrung, Mentalität sowie Kampfgeist alles daran setzen, den Titel in Spaniens La Liga zu verteidigen. Spätestens im zuvor bereits angesprochenen direkten Duell im Clasico in wenigen Wochen wird man ein Zeichen setzen und durch einen Sieg im Spotify Camp Nou das Titelrennen letztendlich wieder spannend machen. Und dann, wer weiß, beginnt auch bei so stolzen Katalanen das Kopfkino und die mentale Komponente mitzuwirken, wenn es darum geht, auch in Zukunft den Spitzenplatz gegen einen routinierten Jäger aus Madrid verteidigen zu müssen. Viel Spaß dabei wünsche ich in jedem Fall allen Barca Fans, die bis dahin grinsend in den Tag hineinleben und sich durch Hauptsponsor Spotify die nötige Motivation über Playlisten und Co. holen können. Und keine Sorge, der bleibt euch auch erhalten, wenn ihr (wie erwartet) nicht Meister werdet. In Madrid ist und bleibt man zuversichtlich, dass schlussendlich alles so ausgeht, wie es ausgehen muss. Ich freu mich drauf!

¡Hala Madrid y nada más!

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